Männer mit einer seltenen Begabung
Das Buch der Väter
Schreiben sei für ihn eine "hygienische Tätigkeit", sagt Miklos Vamos. "Wie Zähneputzen". Und: "Wenn ich schreibe, verstehe ich." Ein charmanter, humorvoller Herr, ausgestattet mit einer unglaublichen Sprachbegabung.
8. April 2017, 21:58
Nachdem er ein Buch über seine Mutter geschrieben hat, das auf Deutsch unter dem Titel "Mutter gibt es nur eine" bei btb erscheinen wird, hat Miklos Vamos das Gefühl gehabt, er müsse auch seinem Vater ein Buch widmen, erzählt der 54-jährige studierte Jurist. Mit diesem Buch, dem "Buch der Väter" landete er dann auch einen Bestseller: In Ungarn verkaufte sich der Roman, wie Vámos stolz erwähnt, seit dem Jahr 2000 glatte 198.000 Mal.
Drei Jahrhunderte ungarischer Geschichte
"Das Buch der Väter" ist eine Familiensaga, die die Geschichte des Landes Ungarn und die Tragödie einer Familie durch drei Jahrhunderte hindurch in 12 detailreichen und farbenprächtigen Kapiteln erzählend zu verweben sucht. Große geschichtliche Ereignisse und kleine alltägliche Details greifen ineinander. Es wird in diesem Roman geliebt, gelitten, genossen, auf grausame Art gestorben. Die Sprache passt sich der jeweiligen Zeit an, was manchmal gelingt, häufig aber bemüht und aufgesetzt wirkt, zumindest in der deutschen Übersetzung.
Die Erstgeborenen der im Mittelpunkt stehenden Familie werden jeweils ausgestattet mit einem außerordentlichen Talent: der Begabung des sich Erinnern-Könnens und des Erahnens von Zukunft. Die von Generation zu Generation tradierte magische Fähigkeit erlebt jedoch einen geschichtsbedingten Bruch. Das bisher verbindende Glied zwischen den Generationen, das Familientagebuch, das titelgebende "Buch der Väter", das die jeweils Erstgeborenen führten und an das älteste der Kinder weitergaben, verschwindet. Nádor Csillag wird in Auschwitz umgebracht, dessen Sohn Balázs, der sich vor den Nazis retten konnte, verweigert es, über das erfahrene Grauen zu sprechen.
Die Sternzeichen als Paten
Die jeweils Erstgeborenen der Familie sind es, die in den zwölf Kapiteln die Protagonisten der erzählten zwölf aufeinander folgenden Generationen abgeben, oder "Helden", wie sie Vamos bezeichnet. Durchgehend sind diese Seher männlich: Ihre Gabe verschont sie vor dem, was auf sie zukommt, nicht.
Um diese Figuren zu charakterisieren, werden zu Anfang jedes Kapitels kurze Naturschilderungen angeführt, die die astrologischen Dispositionen der jeweiligen Hauptfigur skizzieren sollen. Die Charaktermodelle der 12 Sternzeichen standen hier Pate. Gerahmt wird das mystisch-märchenhafte, tragikkomische Geschehen von einem Naturereignis, das den 12. Mai 1706 - hier setzt der Text ein - und den 11. August 1999 - hier klingt der Text aus - verbindet: Das astronomische Phänomen der Sonnenfinsternis ist es, das dem Leser als unerschütterliche Konstante präsentiert wird.
Ein "geborener Erzähler"
Es ist eine einfache, vielleicht allzu simple und allzu durchschaubare narrative Struktur, die hier entworfen wird. Die Sprache zu wenig präzise, als dass man Welt aus ihr schöpfen könnte. Allerdings will das alles genau so sein. Er sei eben ein "geborener Erzähler", sagt Vamos, "das ist es, was ich kann." Ein guter Roman müsse eben in ein paar Sätzen erzählbar sein. Und das trifft auf das "Buch der Väter" durchaus zu. Ob das jedoch ein positives Qualitätskriterium ist, darüber lässt sich ausgiebig fachsimplen.
Buch-Tipp
Miklós Vámos, "Das Buch der Väter", ins Deutsche übersetzt von Ernö Zeltner, Btb bei Goldmann, ISBN 3442751187