Der Ortstafelstreit 1972

Kärntner Wegkreuzungen

Am 29. April 2005 unternahm die Konsenskonferenz einen neuerlichen Anlauf, den Ortstafelstreit in Kärnten zu lösen. Beim ersten Versuch im Jahr 1972 - ohne Einbindung der Bevölkerung - wurden in der Nacht Tafeln aufgestellt und bald auch wieder abmontiert.

Im Staatsvertrag von 1955 ist festgehalten, dass in den Gebieten in Kärnten, in denen die slowenische Volksgruppe vertreten ist, die topografischen Aufschriften auch zweisprachig sein müssen.

Bis heute ist dieser Passus nicht voll erfüllt worden - gescheitert am Widerstand der Kärntner - nicht zuletzt auf Druck der Heimatverbände, die immer befürchtet haben, durch diese Tafeln würde ein Territorium gekennzeichnet, das Jugoslawien - wie 1918 und auch 1945 - wieder für sich beanspruchen würde. Ob es heute zu einer Lösung kommt, ist nicht zuletzt deshalb fraglich, weil sich auch die Slowenenvertreter nicht auf eine gemeinsame Haltung einigen können.

Ein erster - gescheiterter Versuch - das Problem zu lösen, wurde im Jahr 1972 unternommen. Damals wurden - ohne die Bevölkerung mit einzubinden - in der Nacht Tafeln aufgestellt und bald auch wieder abmontiert. Ich war damals als Zeitzeuge bei diesen nächtlichen Aktionen dabei - hier mein Bericht.

Auf den Schwarz-Weiß-Fotos - aufgenommen am 3. Oktober 1972 knapp vor acht am Abend an einer Wegkreuzung in Unterkärnten mit einer Agfa Instamatic - hat sie das Blitzlicht ganz hell aufgeleuchtet: vier Strassenschilder - zwei nach links, zwei nach rechts, mit deutsch-slowenischen Aufschriften.

Kurz danach, so hielt ich auf einem mittlerweile leicht vergilbten Papier fest - rollt eine Autokolonne (ca. 70 Autos) auf die Kreuzung zu. Werden am Straßenrand abgestellt. Zwei Gendarmen in Zivil: "Was wolln's da?" Antwort: "Wir hol'n die Tafln." Und das geschieht dann auch. Aus den Autos steigen insgesamt etwa 150 bis 200 Personen. Die Gendarmen sind machtlos.

Anfänglich streitet man kurz darüber, ob man die Tafeln samt den Ständern entfernen soll und was mit dem einen einsprachigen Hinweisschild - St. Primus, auf Deutsch - passieren soll. Man einigt sich schließlich darauf, die zweisprachigen abzumontieren - "A, hat wer an Schraubenschlüssel da?", auch diese Frage hab ich mir notiert - und die deutschsprachige stehen zu lassen.

Auch wenn sich das alles unter den Augen der Öffentlichkeit abgespielt hat - so richtig vor die Kamera wollte damals niemand. Eines der wenigen Interviews, die das Studio Kärnten mit einem der Ortstafel-Abmontierer gemacht hat, war insofern bemerkenswert, als der "Täter" sich damals nur von hinten hat filmen lassen - die Frage des Reporters, was er denn eigentlich gegen die Slowenen hat, beantwortet er so: "Ich hab nichts gegen die Slowenen, aber dass man so ein wichtiges Gesetz ohne die Minderheit und ohne die Mehrheit zu der ich mich zähle, beschließt, das kann ich nicht verstehen."

Zurück zu meinen Notizen vom 3. Oktober 1972: Mittlerweile waren auch Streifenwagen der Gendarmerie erschienen, deren Besatzung es gelang, eine der Tafeln im Wagen zu verstauen. Das löst wiederum einigen Unmut unter den Anwesenden aus. Sie versuchen die Beamten zu überreden, die Tafel herauszurücken. Nachdem das nicht gelingt, umstellen sie das Fahrzeug und hindern es am Wegfahren. Dem Fahrer ist das sichtlich zuviel: er gibt Vollgas, wobei sich die Demonstranten nur durch einen Sprung zur Seite vor dem Überfahren retten können.

Den Abschluss des nächtlichen Spuks - so habe ich notiert - bildet das Absingen des Kärntner Heimatliedes. Das gelingt nicht zuletzt deshalb so gut, war doch bei der Aktion der fast vollständig erschienene Männergesangsverein der Gemeinde anwesend.

Übrigens: die Tafeln sind damals wieder montiert worden, nur, um in einer nächsten nächtlichen Aktion wieder entfernt zu werden. Das ist solange gegangen, bis die Politik in Wien eingesehen hat, dass man sich wohl etwas anderes überlegen muss. Die "Kärntner Tageszeitung" meldet ein paar Wochen später, die Regierung plane, zweisprachige Ortstafeln mit rot-weiß-roter Umrandung zu versehen.

Auch das war nur ein Vorschlag von vielen - 32 Jahre nimmt die Konsenskonferenz einen neuen Anlauf: wenn sie sich einigt, kann man bald wieder neue zweisprachige Ortstafeln photographieren - jetzt in Farbe und mit einer Digitalkamera.