Was heute vor 60 Jahren in Österreich geschah

23. April 1945

Der 23. April vor 60 Jahren war ein Montag, es war für die Jahreszeit ungewöhnlich kühl; und obwohl Wien schon befreit ist, werden im Ennstal noch schwere Kämpfe ausgetragen und in Vorarlberg noch Durchhalteparolen ausgegeben.

Der 23. April 1945 war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich kühler Tag. Nur acht Grad Celsius zeigt das Thermometer am Nachmittag. Der Himmel ist bedeckt, erst am Abend wird es etwas auflockern. Der Diplomat Josef Schöner sitzt frierend in den fensterlosen Räumen des Bundeskanzleramtes, "in denen es zieht wie in einem Vogelhäusel".

Er schreibt in sein Tagebuch:

Ich habe meinen ältesten Sakko an, ein unmöglich gestreiftes Militärhemd, Vaters alten Regenmantel, Steirerhut und Rucksack (für alle Fälle), doch man sagt mir, dass ich noch immer zu elegant ausschaue. Auf der Straße sieht man vereinzelt schon wieder besser angezogene Damen mit Hut und Handschuhen, auch normal gekleidete Herren, der größere Teil läuft aber noch in einer Art "Räuberzivil" herum. Ich glaube auch nicht, dass die Art der Kleidung auf die Russen irgendwie wirkt, wenn sie einen ausplündern oder zu einer Arbeit einspannen wollen.
(Aus: Josef Schöner, "Wiener Tagebuch 1944/45", Böhlau Verlag 1992)

Hunger

Draußen zerbombte und ausgebrannte Gebäude, Berge von Schutt und herumirrende, hungrige Menschen, auf der Suche nach Essbarem. Davon gibt es kaum etwas an diesem trüben Montag. Ein Stück Fleisch von einem der vielen toten Pferde, die die Straßen säumen, muss reichen.
Die Sowjets helfen. Ihre Maispende vom 21. April beinhaltet:

7000 t Brotgetreide, 500 t, Mais, 2000 t Schrot, 1000 t Erbsen, 300 t Fleisch, 200 t Zucker und 200 t Salz.

In Vorarlberg setzt man auf den Anbau von Wildgemüse. Das Vorarlberger Tagblatt vom 23. April gibt Ratschläge:

Einige Arten von Wildgemüse sind uns ja schon aus der Zeit vor dem Krieg bekannt. Da ist der Sauerampfer gerne gegessen worden, Brunnenkresse, Huflattich, Spitzwegerich, Scharbockskraut und Pastinak waren vielfach beliebt. Nun ist noch eine ganze Reihe anderer Arten hinzugekommen. Der Löwenzahn gibt einen guten Salat ab. Aber auch die Blätter der Gänseblümchen, der Schlüsselblumen, Weideröschen und Boretsch nimmt man und kocht sie wie Spinat. Die Schwarzwurzel gehört auch hierher. Davon lässt sich aus den dünnen Wurzeln sehr gutes Gemüse zubereiten.

Letztes Aufgebot

400.000 Russen befinden sich am 23. April in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, Tiefflieger streifen das Ennstal, und 21 amerikanische B-17 Flieger werfen 63 Tonnen Bomben auf die Bahnanlagen von Spittal an der Drau.

Die Kleine Zeitung beschönigt die militärische Lage im steirischen Grenzraum:

Feind verhält sich weiterhin ruhig. Schwächere Aufklärungsversuche bei Trautmannsdorf wurden abgewiesen. Bei Seibersdorf wurde ein Einbruch im Gegenstoß bereinigt. Im Raum Wenigzell wurden einige beherrschende Höhen wieder zurück gewonnen. Abgeschnittene Feindkräfte wurden vernichtet, dabei eine größere Anzahl von Waffen, Fahrzeugen und Geräten erbeutet. Im Gebiet des Semmering wurden Angriffe gegen den Sonnwendstein und im Gebiet nördlich der Paßstraße abgewiesen.

Chaos und Kultur

In Wien steht an diesem 23. April 1945 alles still. Es gibt kein Radio, kein Telefon, keine Straßenbahn. Alle Bahnhöfe, bis auf den Franz-Josefs-Bahnhof sind zerbombt. Die Donaubrücken, außer der Reichsbrücke, unbefahrbar. Auch viele Straßen, wie die Praterstraße, die Landstraßer und die Simmeringer Hauptstraße.

Inmitten dieses Chaos probt das Ensemble der Wiener Staatsoper auf der Bühne der unversehrten Wiener Volksoper "Figaros Hochzeit" für den 1. Mai.

Die Vorarlberger vergessen ihre Sorgen im Kino:

Filmtheater Bregenz: 20 Uhr (bei Regenwetter auch 15 Uhr): "Sieben Briefe"
Rhein-Lichtspiele Lustenau: Bis 26. April: "Die goldene Stadt" (Jugendverbot)
Welt-Lichtspiele Dornbirn: Heute 20 Uhr: "Das war mein Leben"

(aus: Vorarlberger Tagblatt vom 23. April 1945)

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