Präferenz für Musiktheater des 20. Jahrhunderts

Anisha Bondy, Musiktheater-Regie

Von den Eltern zwar künstlerisch vorbelastet, aber ohne Bezug zur Oper: Anisha Bondy, Berlinerin mit polyglottem Background, die Musiktheater-Regie an der Musik-Uni Wien studiert. Das Retz-Festival zeigt nun ihre Produktion von Martinus "Comedy on the bridge".

"Ich bin von meinen Eltern vorbelastet, die beide Dokumentarfilmer sind. Mein Vater ist auch Komponist und so bin ich mit Musik aufgewachsen, aber eher mit Jazz. Ich habe in der Schule im Chor gesungen und Freude daran gehabt - aber nicht mit Oper, gegen die habe ich mich bis zur Matura gewehrt. Dann sang ich bei einer Studenten-Produktion in 'Dido und Aeneas' im Chor - und auf einmal war die Begeisterung für das Musiktheater da. Und ich dachte: Musik und Theater - das passt doch zusammen. Schließlich machte ich die Aufnahmeprüfung", erzählt Anisha Bondy, in London geboren, aufgewachsen in Berlin, Jahrgang 1981, die bei Michal Temme an der Wiener Musik-Universität seit 2002 Musiktheater-Regie studiert.

Die Herkunft der jungen Regisseurin, die nicht verwandt ist mit Luc Bondy, ist international und ihre Entscheidung für Wien kam nicht zufällig: "Meine Großmutter ist gebürtige Wienerin, die 1938 ins Exil nach London ging, wo sie meinen Großvater kennen lernte. Berlin kannte ich schon und wusste, wie der Betrieb dort läuft. Und Wien war neu für mich. Außerdem habe ich gesehen, dass hier der praktische Teil ein viel größerer und wichtigerer ist. Und Wien ist doch die Stadt der Musik, der Oper - also ein guter Startpunkt", erklärt die junge Regisseurin, die nun im siebenten Semester ist.

"Komödie auf der Brücke" beim Festival Retz

"Es war eine sehr spannende Arbeit und ich habe große Freude, weil man die Entwicklung der Mitwirkenden sieht. Nun bin ich gespannt, wie das Werk beim Publikum ankommt. Der große Unterschied zur ursprünglichen Aufführung ist, dass wir das Werk in Englisch gezeigt haben. Für Retz wurde es jetzt in tschechischer Sprache einstudiert. Mein großes Lob gilt daher den Sängern, die diese Herausforderung mit einem Sprach-Coach und viel Enthusiasmus bravourös gemeistert haben", so Anisha Bondy knapp vor der Premiere der Martinu-Oper "Komödie auf der Brücke" beim ersten Festival Retz.

Es war Bondys zweite Arbeit an der Musik-Universität, die in Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Raphael Eröd entstand. Als er ihr - auf der Suche nach einem Werk - aus Bohuslav Martinus Oper "Comedy on the bridge" vorspielte, war sie sofort begeistert: "Die Musik hat mich durch die Doppelseitigkeit Schauspiel-Gesang und die Lebendigkeit - eigentlich ist es ja eine Radio-Oper - sofort fasziniert. Ebenso die Thematik: Brücke, Grenzübergänge, zwei feindliche Lager. Martinu hat das Werk 1938 geschrieben, kurz bevor er ins Exil nach Frankreich gehen musste. Wir wollten mit der Arbeit auch darauf hinweisen, wie privilegiert wir heute sind", berichtet die junge Regisseurin über diese Kooperation, die durch den Kontakt von "Volksopern"-Chef Rudolf Berger und Michael Temme entstand.

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Timing - der kleine Unterschied

Was Musik- und Sprechtheater-Regie unterscheidet, erklärt Bondy an einem praktischen Beispiel:

"Wie enorm dieser Unterschied ist, habe ich im vergangenen Oktober gemacht, als ich erstmals eine Operette - "Là-Haut! Da Oben!" von Maurice Yvain - für die inszeniert habe. Bei den Dialogen merkte ich, was es heißt, den Rhythmus für einen Text selbst finden zu müssen. Das war für mich etwas komplett Neues. Bei Musik hat man eben das Timing und muss sich daran halten - das gibt es im Sprechtheater nicht."

Musik, die Bilder hervorruft

"Ich brauche Musik, die mich inspiriert, wo dann Bilder in meinem Kopf entstehen. Das ist bei purem Text nicht so der Fall. Ich glaube, dass meine Art zu arbeiten, auch etwas Choreografisches hat", erläutert Bondy ihre stilistische Richtung.

"Diese Kombination Schauspiel - Gesang, wo sich die Gattungen vermischen, liegt mir. Und die gibt es eher im 20. Jahrhundert. Ich finde die Thematiken der Oper der Jahrhundertwende, des letzten Jahrhunderts, am interessantesten. Ich liebe Richard Strauss , die 'Salome' ist eine meiner Lieblingsopern, Strawinskys 'Geschichte vom Soldaten' oder Schostakowitschs "Die Nase". Es sind also auch die absurden Geschichten, die mich reizen und herausfordern."

Regie-Debüt mit "La voix humaine"

Vor zwei Jahren hatte sie ihr Regie-Debüt mit der Uni-Produktion "La voix humaine" von Francis Poulenc. Die Vorgabe war, ein kurzes Stück mit Klavier und ein, zwei Sängern zu inszenieren. "Eine Frau führt ihr letztes Gespräch mit dem Geliebten, bevor sie sich das Leben nimmt. Ursprünglich wollte ich diese Rolle mit einem Counter-Tenor besetzen, der die Rolle der Frau spielt und natürlich eine homosexuelle Beziehung hat. Denn es gibt da für mich keinen Unterschied, was den Dialog betrifft."

"Ich fand bei meinen Recherchen heraus, dass Klaus Kinski ursprünglich die Cocteau-Uraufführung in Berlin machen sollte, es aber aus Krankheitsgründen nicht dazu kam. Auch bei mir war es so - der Counter-Tenor erkrankte, ich inszenierte das Stück mit einer Sängerin. Rollentausch gefällt mir an sich sehr. Und ich arbeite sehr gerne mit einem gemischten Ensemble aus Sängern und Schauspielern", so Bondy.

Theater-Praxis

Praktische Erfahrungen konnte Anisha Bondy auch bereits an mehreren Theatern sammeln: Vor allem am Theater Basel und in der Kölner Oper bei Katharina Thalbach, die sie sehr schätzt.

"Ich habe unheimlich viel gelernt durch diese Assistenzen. Und das Programm war sehr abwechslungsreich - von Offenbachs 'Orpheus in der Unterwelt' und der 'Salome' von Strauss mit Thalbach, über Monteverdis 'Krönung der Poppea' in der Regie von Nigel Lowery bis zur Uraufführung von Wolfgang Mitterers 'Crushrooms' in der Regie von Robert Schuster", berichtet die Nachwuchs-Regisseurin.

Zukunftswunsch: Eigene Truppe

Nach der Arbeit in Retz widmet sich Bondy wieder ihrer Diplom-Inszenierung von Carl Orffs "Die Kluge", die im Oktober auf der Neuen Studiobühne in Penzing gezeigt wird. Und mit ihrem Team, bestehend aus fünf jungen Künstler, die aus verschiedenen Ländern kommen, schmiedet sie bereits Pläne für eine eigene Musiktheater-Truppe. "Wir ergänzen uns ideal. Denn es ist ganz wichtig, dass alle Kunstformen mit- und nicht gegeneinander arbeiten."

Jüngst hat sie ein Angebot aus Basel erhalten und wird bei Michael Thalheimers Produktion von Verdis "Rigoletto" sowie bei mehreren Uraufführungen Regie-Assistenz machen. "Ich glaube, dass ich meinen Beruf gefunden habe. Und wenn ich davon leben und Karriere machen, aber auch ein Familienleben führen kann - das wäre die Erfüllung meiner Wünsche", so Anisha Bondy.