Das Allgemeine und das Besondere
Gebrauchsmusik
Barockmusik ist in ihrer vielfältigen Präsenz durchaus auch ein Phänomen unserer Zeit. In ihrer scheinbar unverbindlichen Konsumierbarkeit hat sie kurioserweise etwas Verbindliches und Verbindendes: Pianist Petermandl und "Ars Antiqua Austria" entdecken.
8. April 2017, 21:58
Wie sehr unterscheiden sich in dieser Hinsicht die Barock-Rezipienten des 21. Jahrhunderts von jenen des 17. oder 18.? Sucht man heute in dieser Kunst auch das Besondere, die nationale Herkunft oder die Verbundenheit mit den Parametern einer bestimmten Form europäischer Kultur?
CD-Einspielungen von Bachs "Kunst der Fuge durch den österreichischen Pianisten Hans Petermandl und Musik aus der deutschen Hansestadt Lübeck durch "Ars Antiqua Austria evozieren solche Fragen durchaus.
Das Besondere: das ist auch der unverwechselbare Musizierstil, durch den schon im 17. Jahrhundert ein Land oder ein Volk charakterisiert werden konnte. Ist dieser Stil tatsächlich erlern- oder austauschbar, etwa für den österreichischen Geiger Benjamin Ziervogel, der eine leitende Position bei einem slowenischen Orchester antritt?
Bachs "Opus ultimum"
Die "Kunst der Fuge ist barocke Musik, die sich der leichten Konsumierbarkeit entschieden widersetzt. Dies steht der Tatsache, dass vieles aus dieser Zeit aber wohl tatsächlich "zur Unterhaltung komponiert wurde, nicht entgegen, sondern unterstreicht die Exzeptionalität dieses Werkes.
Hans Petermandl ermöglicht es mit seiner CD-Einspielung, neben den hochkomplexen strukturellen Zusammenhängen auch die klanglich-sinnliche Komponente dieser intensiven Musik zu erfahren. Bachs Konzentration auf das Innerste des musikalischen Gestaltens wird so auch durch gefühlsmäßiges Erleben nachvollziehbar.
Der Lübecker Klang
Dem besonderen Flair barocker Musik in einzelnen Regionen Europas spürt Gunar Letzbor mit seinem Ensemble "Ars Antiqua Austria nach. Ungarn und die Slowakei können mit ihm schon auf CD bereist werden.
Nun auch die norddeutsche Handelsstadt Lübeck, die auch jene des Dietrich Buxtehude ist. Die Metamorphose eines allgemeinen europäischen Stils zu jenem unverkennbaren einer ganz bestimmten Region ist hier stimmungsvoll nachvollziehbar.
Grenzüberschreitungen
Musik ist aber auch international. Regionalstile können doch immer wieder in Gesamtstilen gebündelt und von dort aus beschrieben werden. Trotzdem: auch die moderne Internationalisierung - vor allem im Konzert- und Orchesterwesen - hat es doch als unabdingbar erscheinen lassen, die unterscheidbaren Ausdrucksweisen bestehen zu lassen; ja sie in besonderer Weise zu kultivieren.
Das ist eine Herausforderung für den jungen Kärntner Benjamin Ziervogel, der vom Studium weg erster Konzertmeister beim Slowenischen Rundfunkorchester wurde und sich nun auch mit dem eigenen Orchesterstil unseres Nachbarlandes auseinanderzusetzen hat.
CD-Tipps
Johann Sebastian Bach, "Die Kunst der Fuge, Hans Petermandl, Gramola 98764/65
"Musik aus Norddeutschland-Lübeck", Ars Antiqua Austria, Symphonia SY 022003
Link
Ars Antiqua Austria