Chansons aus der Zeit der Existenzialisten
In den Clubs von St. Germain des Prés
In den Cafés, den Jazzkellern und Restaurants von St. Germain des Prés trafen sich nach dem Krieg Intellektuelle, Künstler, Poeten und Studenten, die Geschichte schreiben sollten: Unter ihnen etwa Jean-Paul Sartre, Jacques Prévert, Juliette Gréco oder Boris Vian.
8. April 2017, 21:58
Juliette Gréco: Hommage an St. Germain des Prés
Es sind die Existenzialisten, die - nach dem Krieg - Saint Germain des Prés berühmt gemacht haben. Heute noch lebt dieser Stadtteil auf der "Rive Gauche", also dem linken Seine-Ufer, von einem Mythos, der in den späten 40er Jahren entstanden ist. Aber die Schwierigkeiten beginnen schon mit der Definition von "Existentialisten".
Grecos Einfluss von Sartre
Jean-Paul Sartre, der mit seiner Gefährtin Simone de Beauvoir und Maurice Merleau-Ponty den Existentialismus in der Philosophie begründete, hatte mit dieser Bewegung der Jugendlichen so gut wie gar nichts zu tun, außer dass er mit vielen von ihnen befreundet war.
Eine Anekdote besagt aber, dass Juliette Gréco und ihre Freundin Anne-Marie Cazalis den Begriff einmal launisch einem Reporter des Blattes "Samedi-Soir" zugeworfen haben. "Wer seid ihr?", fragte sie der Journalist. Die Mädchen hatten, wie viele andere, Sartres Bücher, die damals sehr in Mode waren, verschlungen und antworteten lachend: "Existenzialisten!". Und so war der Begriff für diese Jugendbewegung geboren.
Es begann im "Tabou"
Es war eine Zeit der großen Feste, vornehmlich im "Tabou", einem Kellerlokal, in dem in dicken Rauchschwaden und zwischen winzigen Holzstockerln bis in den Morgen getanzt wurde. An der Tür wurde streng ausgesiebt, wer hinein durfte, und trotzdem war es jeden Abend gerammelt voll.
Bald schon wandten sich die "Pioniere" und Entdecker des "Tabou" wie Boris Vian ab, da ihnen zu viele Adabeis kamen. Auch traf man hin und wieder Berühmtheiten wie Sartre oder Simone de Beauvoir. Es wäre allerdings falsch, von deren Stammlokal zu sprechen. Das waren die beiden Cafés "Café de Flore" und "Aux Deux Magots" mit ihren großen Terrassen. Auch heute noch kann man dort neben Touristen den einen oder anderen Künstler antreffen.
Aufbruchsstimmung in Schwarz
Die Existenzialisten hatten ihre Kluft: karierte Hemden und Turnschuhe aus Stoff für die Burschen, schwarzer Pulli, Rock und ebenfalls Turnschuhe für die Mädchen. Später trug man bevorzugt Schwarz. Man verbrachte die Tage in den Cafés und die Nächte in den Clubs.
In Saint-Germain-des-Prés traf sich damals wirklich alles, was Rang und Namen hatte: Intellektuelle, Künstler, Musiker und Bohemiens. Es herrschte Aufbruchsstimmung nach dem Zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung, und man feierte bei jeder Gelegenheit. Aber es war auch eine unwahrscheinlich fruchtbare, kreative Epoche.
Die Clubs der Jazzer
In den kleinen Clubs, wie "La Rose Rouge" traten Sänger auf, die berühmt waren oder es werden sollten, in anderen kam die große Zeit des Jazz. Das Multitalent Boris Vian, Schriftsteller, Sänger, Schauspieler, Trompeter und Jazzkritiker brach eine Lanze für den Bebop und hatte als Chefredakteur der renommierten Zeitschrift "Jazz News" Kontakt zu allen namhaften Musikern der Szene. Im "Club St. Germain" konnte man Duke Ellington, Charlie Parker, Max Roach, Kenny Clarke, Dizzy Gillespie, Miles Davis, Count Basie oder Erroll Garner hören.
Die Chanson-Stars a la Greco
Die Grenzen der musikalischen Vorlieben waren fließend: Einerseits fand der Jazz in den Kellern von Saint Germain des Prés sein Zuhause, andererseits war dort auch das Chanson daheim; dieses Genre erreichte aber ein breiteres Publikum.
Eine Edith Piaf trat dort zwar nie auf, allerdings konnten dort Karrieren beginnen: Juliette Gréco etwa, die Königin der Nächte von Saint Germain des Prés, sang des öfteren in der "Rose Rouge", einem kleinen, überhitzten Saal, wo man auch Yves Montand, Léo Ferré oder Charles Aznavour applaudierte. Schauspieler traten dort ebenfalls auf: Marcel Marceau, Michel Piccoli oder der Puppenspieler Yves Joli etwa. Und auch im Publikum saßen Berühmtheiten: Charlie Chaplin oder der Schriftsteller Francois Mauriac hatten ihre Stammtische.
Manche dieser Keller gibt es noch, auch viele der Cafés und Brasserien dieser Epoche. Sie sind Monumente der Geschichte eines Dorfes inmitten von Paris, und Monumente werden bevorzugt von Touristen besucht.