Kleine überschaubare Welt

8. April 2017, 21:58

Hans Platzgumer, "Expedition 87 - 04"

Ich bin ein ordentlicher Mensch, sehr ordentlich sogar. Nicht sauber, aber immer mit klarer Ordnung in mir und um mich herum. Wenn ich sie nicht habe, werde ich unglücklich, genervt, gestresst. In meinem Arbeitszimmer, in meinem Terminkalender und auf der Festplatte meines Computers hat alles seine logische Ordnung. Überall stehen Stapel und Ordner, nach Wichtigkeit und Inhalt sortiert, in einer Einteilung, die nur für mich selbst klaren Sinn ergibt. Drum herum mag es staubig, schmutzig und verschmiert sein, solange ich stets alles finde, was ich in dem Moment benötige, ist das kein Problem. Es macht mich wahnsinnig, nach Sachen suchen zu müssen, nicht starten zu können, weil ein entscheidendes Element noch fehlt oder nicht funktioniert. Ein Fehlstart, ein solcher Zeitverlust raubt mir den gesamten Ansporn, überhaupt noch etwas in Angriff zu nehmen.

Alles muss ständig startklar sein, auf einen Knopfdruck, auf einen Handgriff bereit. Für jede spontane Handlung muss ich zu jedem Augenblick gewappnet sein. So sind alle meine Unterlagen, meine Platten, meine Back-Up-CDs, mein Wäschebeutel, meine T-Shirts oder Effektgeräte ständig in der richtigen Position, um ohne Verzögerung zum Einsatz zu kommen. Es macht mir nichts aus, zwei Wochen lang die selbe Unterhose zu tragen - besonders seit ich, von Versace mit edlen Herren-Slips gesponsert, den Komfort von Designerunterhosen genießen kann. Doch jeden Morgen möchte ich sie an ihrem Platz bereit wissen. Es gibt mir einen gewissen Schutz, nicht nackt und unvorbereitet auf unerwartete Situationen reagieren zu müssen, ein Gefühl der Sicherheit und Freiheit, nicht mehr mit banalen Dingen wie dem Suchen von Kleidung, Werkzeugen oder Papieren wertvolle Zeit zu vergeuden.

(...)

Mit derselben Einstellung hasse ich es auch, die gleiche Strecke zweimal bewältigen zu müssen, ähnlich wie ich auch in meiner Arbeit jegliche Wiederholungen scheue. Habe ich mich einmal verfahren, verlaufen oder bin über ein Ziel hinausgeschossen, so ist es mir, auch wenn es die einfachste Variante wäre, einfach unmöglich, umzudrehen und auf demselben Wege zurückzukehren. Aus einem Fehler möchte ich wenigstens etwas lernen, aus dem Verfahren etwas Neues erfahren, und so suche ich lieber nach alternativen Möglichkeiten, ans Ziel zu gelangen, anstatt ihn einfach rückgängig zu machen. Wenn ein technisches Gerät nicht auf Anhieb funktioniert, dann verwende ich lieber sofort ein komplett anderes und nehme dabei mitunter riesige Umwege in Kauf, als dass ich den eigentlichen Grund suchen würde. Ich bin mir bewusst, dass diese Sturheit meine Umgebung des Öfteren zur Verzweiflung bringt und mich oft nur in noch kompliziertere Irrgärten verstrickt, aber wenigstens ist es ein kleines Abenteuer, ein kleines Stück Neuland, das zu betreten ich gezwungen worden bin. Aus Fehlern entstehen oft die besten Ideen. Zwar nicht immer, aber dennoch möchte ich diese Chance leben lassen, sie am Schopf ergreifen und erkunden, wohin sie mich bringt.

(...)

Es ist die kleine ordentliche Welt eines kleinen ungewaschenen Mannes. Gekennzeichnet durch den notwendigen Minimalismus seines ungeduldigen Gemüts, überblickbar höchstens für ihn selbst und geschmückt mit den vielen kleinen Geheimnissen, die nur er im rechten Augenblick verstehen kann.