Zeit und Raum, Energie und Masse
E=mc2
"Die Überlegung ist lustig und bestechend; aber ob der Herrgott nicht darüber lacht und mich an der Nase herumgeführt hat, das kann ich nicht wissen." Albert Einstein 1905, kurz nachdem er seine Formel E=mc2 niedergeschrieben hat.
8. April 2017, 21:58
Längst wissen wir, der Herrgott hat sich mit dem Ulmer Genie keinen Spaß erlaubt: Die Energie eines Körpers ist das Produkt aus seiner Masse und der Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Ein sich bewegender Ball besitzt also, vereinfacht gesagt, mehr Masse als ein Ball in Ruhelage.
Damit relativierte Einstein vor 100 Jahren nicht nur die Begriffe Zeit und Raum, sondern auch Energie und Masse. Beide sind nur verschiedene Formen ein und derselben Sache, die Begriffe sind äquivalent und können ineinander umgewandelt werden. Herkömmliche Materie ist also nichts anderes als konzentrierte Energie.
Das Strahlen der Sonne
E=mc2 liefert eine Erklärung für die Energieerzeugung in unsere Sonne, mit der berühmten Formel lassen sich die Kernfusionsprozesse beschreiben, die in Sternen stattfinden und die Grundlage für das Leben auf der Erde bilden.
Noch ist es dem Menschen nicht gelungen, die Kernfusionsprozesse der Sonne technologisch zu imitieren. Die kontrollierte thermonukleare Fusion könnte einen wichtigen Beitrag zur Energiegewinnung ohne CO-2 Emission liefern.
Deshalb soll in diesem Jahr der Bau eines neuen Fusionsreaktors beschlossen werden. Wo das Projekt ITER verwirklicht wird, ob in Japan oder Frankreich, ist allerdings noch nicht entschieden. Zuvor muss auch noch das technische Problem gelöst werden, wie man das enorm heiße Plasma aus elektrisch geladenen Teilchen in einem Fusionsreaktor absolut sicher speichert.
Urgleichung der Atombombe und pazifistische Chiffre
E=mc2 lieferte aber auch die Urgleichung für die Kernspaltung und die Atombombe, an deren Bau sich Einstein selbst allerdings nicht beteiligte. Am 6. August 1945 werden mehr als 100.000 Einwohner der japanischen Stadt Hiroshima Opfer einer Atombombenexplosion. Seit diesem Datum ist Einsteins Formel auch zur politischen Chiffre geworden, zum Fanal einer nuklearen Vernichtung der Welt durch wissenschaftlichen Fortschritt.
Obwohl Einsteins Formel - und das ist das Ambivalente an ihr - mit dem Sündenfall der modernen Physik verbunden ist, wurde sie dennoch auch ein Symbol des Pazifismus. Und das hat mit der Person Einstein zu tun. Denn E=mc2 ist auch das physikalische Vermächtnis einer moralische Instanz. Zeitlebens setzte sich Albert Einstein für Abrüstung und Menschenrechte ein und trat öffentlich gegen Antisemitismus und Rassenhass auf.
Popularität einer Weltformel
Für die breite Öffentlichkeit figuriert die Formel heute nach wie vor auch als Inbegriff geistiger Potenz und wissenschaftlichen Genies. So wie E=mc2 gelang es keiner anderen physikalischen Formel des 20. Jahrhunderts, über den Tellerkreis der Physik in das Bewusstsein der Öffentlichkeit einzudringen.
Sie ist die einzige Formel, der man in gewisser Weise auf der Straße begegnet. Man findet sie als urbanes Graffito auf Stadtmauern, hastig eingeritzt in Latrinenwänden oder als Statement auf T-Shirts. Kurz vor seinem Tod streckte Einstein der Weltöffentlichkeit die Zunge heraus. Vielleicht war damit auch nur die Natur gemeint, der er mit seiner Formel ein großes Geheimnis entlockt hat?
Das Foto ging um die Welt und hinterließ ein Bild des Wissenschaftlers, wie man es vorher nicht gekannt hat: Jenes des Tabubrechers. Und so schaffte es Einstein und seine berühmte Formel E=mc2 schließlich auch auf die Posterwände in den Jugendzimmern. Dorthin, wo früher nur die Beatles hingen - und heute das laszive Lächeln einer Madonna betört.
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