Kleine Geschichten, großartig erzählt
Maramba
"Maramba", das sind 150 Prosatexte einer Autorin, die Robert Menasse als "sensibel und hoch talentiert" bezeichnete. Die Autorin heißt Paula Köhlmeier und die Texte wurden zu ihrem Vermächtnis - im August 2003 kam sie bei einer Wanderung ums Leben.
8. April 2017, 21:58
Paula Köhlmeier war ein Multitalent. Sie hat erzählt, sobald sie reden konnte und geschrieben, seit sie schreiben konnte. Sie stand schon als Kind auf der Bühne des Vorarlberger Landestheaters, sie hat in den Hörspielen ihrer Mutter, Monika Helfer, gesprochen und schließlich auf der Filmakademie in Wien studiert. Am liebsten wollte sie einmal - wie Woody Allen - alles machen: Drehbuch, Regie und Schauspiel. Aber das Schreiben war ihr immer und in jeder Situation das Wichtigste. Nicht als "Berufsbild", wie ihre Eltern sagen, sondern als "Existenzform".
Genaue Beobachterin
Paula Köhlmeier hat Menschen genau beobachtet, sie hat ihnen ins Gesicht gesehen, sie "fotografiert" und unter die Lupe genommen. Sie war hinter den Geschichten dieser Menschen her und hat ihre eigene Geschichte verfremdet. Ihre Lebenswelt ist die einer jungen Erwachsenen, die sich zu orientieren versucht.
Es ist schwer zu verstehen, dass das Kind irgendwann abfällt wie ein Mantel, der zu klein geworden ist, schreibt sie. Oder Ich bin der Thunfisch in der Pralinenschachtel. Oder: Die Langweile ist ein schwarzer Käfer, der Löcher durch die Körper frisst. Sätze wie Fremdkörper, die in jeder Geschichte Paula Köhlmeiers stehen könnten.
Alles ist poesiewürdig
Paula Köhlmeiers Buch hätte ursprünglich "Die Heldin in der ketchupfarbenen Blutlache" heißen sollen. Nach ihrem Tod ein problematischer Titel. Der nun posthum erschienene Band heißt "Maramba". "Die Geschlossenheit eines Romans entsprach nicht ihrem Lebensgefühl", schreiben ihre Eltern im Nachwort und doch korrespondieren die Texte des Bandes miteinander. Es sind atmosphärisch dichte, sprachlich präzise, zart rebellische Prosastücke voll Alltagpoesie, die in Hohenems, in Wien und in Mexiko spielen, wo Paula Köhlmeier acht Monate verbracht hat.
Nichts ist nicht wert beschrieben zu werden, alles ist poesiewürdig: ein vergifteter Hund, ein Elefant aus Glas, ein Kaugummi, eine Tasse Kaffee, ein Spiegel, karges Land mit Mangobäumen, ein Wort.
Ein ganz spezielles Gefühl
"Maramba", heißt es da, ist ein Gefühl. Ein Gefühl, das nur er hat. Er, der das Wort ausspricht, sagt es zu seiner neuen Freundin, die es vergeblich im Lexikon sucht. Er sagt es, solange er verliebt ist, und das Wort wird für sie zu einem Zauber. Er will das Wort nicht erklären müssen. Er will nicht, dass sie das Wort interpretiert. Schon gar nicht später, als er nicht mehr verliebt ist und sie verlässt. Da zeichnet er einen Zug auf Schienen. Einen Zug, der von ihr davon fährt. So bleibt sie mit dem Wort zurück, legt seine Zeichnung ins Eisfach und schreibt eine Geschichte, die "Maramba" heißt.
Es sind offene Geschichten, die Paula Köhlmeier schreibt, Geschichten die sich die Spontaneität des Entwurfs erhalten haben. Lakonische Geschichten, fragmentarische Geschichten, die lieber weniger als zu viel erzählen. Geschichten, die aus dem Leben gegriffen sind, ohne dieses Leben je eins zu eins wiederzugeben. Schräg wird die Wirklichkeit angegangen, die Wahrheit hinter der Wirklichkeit gesucht, direkte Rückschlüsse von der Autorin auf die Protagonistin, die Rutha heißt, werden unterlaufen. Schreiben heißt verwandeln.
Buch-Tipp
Paula Köhlmeier, "Maramba", Zsolnay Verlag, ISBN 3552053336