Wenn die Gerüchteküche brodelt ...

Gerüchte - das Salz in der Suppe an der Börse

Ein Gerücht ist mehr als nur bösartiges Geschwätz. In der Wirtschaft und an der Börse kann es ein Blick hinter die Kulissen sein, bevor noch Entscheidungen gefallen sind. Aber wie generiert man dieses Wissen, wie wiegt man ab, ob man falsch oder richtig liegt?

Chef-Fondsmanager Paul Severin zu Gerüchten

Ein Gerücht kann in der Wirtschaft und an der Börse ein wertvoller Informationsvorsprung sein. Ein falsches Gerücht kann aber auch zu teuren oder gar verhängnisvollen Fehlentscheidungen führen. Möglichkeiten, Gerüchte abzugrenzen und richtige von Falschmeldungen zu unterscheiden, gibt es heutzutage viele. Die Informationsflut durch das Internet erschwert dabei mitunter Entscheidungen. Seine Macht mit seinen gewaltigen Suchmaschinen und mit umfassender Analysefähigkeit durch Toolboxen kann aber auch helfen.

Es könnte so anfangen ...

A: "Dem Mayer geht´s gar nicht gut, schau'n Sie sich die Zahlen an, sieht aus wie ein Übernahmekandidat.“

B: "Sagt der Aufsichtsrat was dazu?“

A: "Nix Genaues, aber die Zahlen gefallen ihm gar nicht. Fragt sich, wie lang es der Vorstand noch macht.“

B: "Der Müller hat eine knallvolle Kriegskasse, höre ich.“

A: "Würden gut zusammenpassen, die zwei.“

Fertig ist das Gerücht: Müller interessiert sich für Mayer, Mayer-Aktien steigen.

Eigenleben schafft Realitäten

Paul Severin, Chef-Fondsmanager in der Capital Invest der Bank Austria Creditanstalt, sieht das Gerücht mit kühler Professionalität. Für ihn ist ein Gerücht nicht mehr und nicht weniger als eine Information, die einen Einfluss auf die Aktienkurse haben könnte. Klar ist aber, dass jeder, der Gerüchte in die Welt setzt oder weiterverbreitet, ein ausgeprägtes finanzielles Eigeninteresse hat. Auf diesem Umweg lässt sich eventuell herausfinden, von wem ein Gerücht stammen könnte. Wenn das überhaupt von Belang ist. Denn wenn ein Gerücht einmal da ist, entwickelt es nicht nur ein Eigenleben. Es schafft auch Realitäten. Zum Beispiel, wenn auf Grund auch eines falschen Gerüchtes ein Aktienkurs steigt oder fällt, so ist das eine Realität.

Das Öl im Getriebe

Schauplatz die Schweiz als europäisches Finanzzentrum mit der wichtigen Züricher Börse, mit den international tätigen Großbanken wie der UBS: Dort werden Gerüchte und ihre Auswirkungen auf Unternehmen und Märkte besonders gründlich untersucht. Der Schweizer Börse-Guru Alfred Herbert sagt es drastisch: Er spricht von der Hure der Börse:

"Etwas anrüchig, aber jeder schaut ihr nach. Und noch ein Vergleich: Das Gerücht ist das Öl im Getriebe der Börse. Denn die Börse braucht Bewegung, braucht das Auf und Ab der Kurse. Konkrete Nachrichten über die Geschäftsentwicklung der einzelnen Titel gibt es ja nicht".

Die Macht des Netzes

Gerüchte werden immer perfekter übermittelt: Als die Börse noch ein richtiges Parkett war, haben einander die Börsianer Gerüchte ins Ohr geflüstert, mit der Computerbörse ging's am Telefon. Perfektester Marktplatz für Gerüchte ist aber heute das Internet. Praktisch jeder Chatroom kann kursrelevante Informationen bergen. Etwa wenn sich Patienten über ein bestimmtes Medikament austauschen, können schon Nebenwirkungen bekannt werden, bevor es noch die Pharmafirma erfährt. Wer rechtzeitig verkauft, bevor wegen eines Skandals die Kurse eines solchen Pharmaherstellers stürzen, hat schon gewonnen - oder genauer: er hat Verluste vermieden.

Die Spezialisten in Sachen Früherkennung

Mit den Gerüchten im Internet setzen sich inzwischen bereits Profis auseinander: Die Firma NetBreeze in der Schweiz sucht systematisch nach Gerüchten und Informationen aller Art im gesamten Internet, stellt Zusammenhänge her zwischen Themen, Firmen, Personen. Eine aufwändige und sicher nicht billige Dienstleistung, aber für die eine oder andere Firma sicher wertvoll, etwa wenn sich eine Krise innerhalb oder außerhalb des Unternehmens ankündigt.

Die Problematik der Informationsflut

Die Informationsflut selbst ist es, die immer mehr Gerüchte ins Kraut schießen lassen, meinen zum Beispiel die beiden Buchautoren Manfred Bruhn und Werner Wunderlich. Kaum ein Mensch kann die Masse an Informationen, die auf ihn einstürzt, wirklich bewältigen. Bruchstücke bleiben im Gedächtnis hängen, werden mit anderen Informationen verknüpft, die möglichweise gar nichts miteinander zu tun haben. Heraus kommt ein mehr oder minder wahrscheinliches Bild, das mit der Realität oft nur mehr wenig zu tun hat. Auch so entsteht ein Gerücht.

Wie beurteilen Wertpapierprofis Gerüchte?

Unternehmen sollen Gerüchte ernst nehmen, egal ob sie richtig oder falsch seien. Und das wirksamste Rezept gegen Gerüchte sei Offenheit nach innen und nach außen, meint Paul Severin von der Capital Invest. Gewinn, Verlust oder die Dividende einer Aktiengesellschaft, das alles werde ohnehin regelmäßig und öffentlich hin- und her gewendet. Was sind eigentlich für ihn brisante Gerüchte?

"In erster Linie solche, bei denen es um Eigentümerwechsel bei Unternehmen geht oder um einen Wechsel in der Vorstandsetage. Beides hat - unabhängig von den aktuellen Geschäftszahlen - immensen Einfluss auf die Zukunft und damit auf die Kurse. Wobei es für den Aktienhändler an der Front egal ist, ob ein Gerücht stimmt oder nicht, er muss mit Kauf oder Verkauf auf die aktuelle Kursentwicklung unmittelbar reagieren".

Anders - so Severin - die Aufgabe des Fondsmanagers: Er sollte rechtzeitig Gerüchte aufschnappen und beurteilen, einen Titel aus einem Fonds nehmen, noch bevor der Kurs falle oder kaufen, wenn eine Aktie noch billig sei., also einen möglichen Übernahmekandidaten in den Fonds nehmen, und dann die Kursgewinne realisieren, wenn das allgemeine Interesse den Kurs in die Höhe treibe.

Gute Tipps

Gerüchte sind also in erster Linie Informationen, es kommt darauf an, was man daraus macht. Der legendäre Börse-Guru Andre Kostolany hat - wie immer - gute Tipps parat:

"Am gefährlichsten ist die halbrichtige Information. Bei einer falschen Information bleiben die Börsianer kritisch. Weil falsche Informationen oft überraschend und provozierend sind, kontrolliert sie der vorsichtige Spekulant. Das ist bei einer halbrichtigen Information nicht zwingend. Sie ist daher viel gefährlicher als die völlig falsche Information. Denn eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge".

Download-Tipp
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