Zülfü Livaneli - Komponist, Sänger, Schriftsteller, Politiker
Der türkische Theodorakis
Liedermacher, Filmregisseur, Schriftsteller, politischer Autor, Parlamentsabgeordneter, Vorreiter der türkisch-griechischen Verständigung - Zülfü Livaneli ist seit drei Jahrzehnten eine der zentralen Figuren des kulturellen Lebens in der Türkei.
8. April 2017, 21:58
Zülfü Livaneli über seine musikalischen Intentionen
"Identitätskrisen sind mein großes Thema. Denn ich komme aus einem Land mit einer tiefen Identitätskrise. Wozu gehört man? Zur islamischen Welt oder zur mediterranen Zivilisation? Die Türkei ist ein großes Völkergemisch",
sagt Zülfi Livaneli, der seit drei Jahrzehnten zu den zentralen Figuren des kulturellen Lebens in der Türkei zählt.
Intellektueller aus Istanbul
Zülfi Livaneli ist Liedermacher und Sänger, Schriftsteller und Filmregisseur. Er hat mehrere Romane geschrieben, war bei drei Filmen als Regisseur tätig, er hat die Musik zu den Filmen "Yol und "Sürü" seines Landsmanns Yilmaz Güney geschrieben, und er hat auch ein Sachbuch verfasst: "Gespräche mit Gorbatschow über die Revolution.
Livaneli wird auch als "Theodorakis der Türkei bezeichnet. Seine Lieder gehören zum Allgemeingut der Türken, und zwar sowohl der Intellektuellen wie auch der einfachen Leute. Neben seinen verschiedenen künstlerischen Tätigkeitsfeldern war und ist er immer auch politisch aktiv: als Vorreiter der türkisch-griechischen Verständigung, als Gegner des Vormarschs des islamischen Extremismus und als Kritiker der türkischen Kurdenpolitik.
Freundschaftsverein mit Theodorakis
Als Student in Ankara gründete Livaneli den Verlag "Ekim und wurde nach dem Militärputsch von 1971 drei Monate in einem Militärgefängnis inhaftiert. Danach ging er nach Stockholm ins Exil, anschließend nach Paris und nach Athen. In seiner Heimat durften damals seine Tonträger nicht verkauft werden. 1984 kehrte er nach zwölf Jahren Exil wieder in die Türkei zurück.
1986, als sich die beiden Staaten politisch und manchmal auch militärisch feindlich gegenüberstanden, gründeten Zülfü Livaneli und Mikis Theodorakis einen griechisch-türkischen Freundschaftsverein, und sie produzierten gemeinsam eine Platte, von der in der Türkei mehr als eine Million Exemplare verkauft werden.
Gegen Extremismus und Diskriminierung
1996 vermittelte Livaneli bei einem Hungerstreik von politischen Gefangenen gegen die Folter in den türkischen Gefängnissen, 1997 trat er in einem Konzert im Hippodrom von Ankara vor 500.000 Zuhörern in einem Konzert gegen den islamischen Extremismus auf. 1999 initiierte er gemeinsam mit den Schriftstellern Orhan Pamuk und Yasar Kemal einen Aufruf gegen die Diskriminierung der Kurden. Darin hieß es:
"Seit 1923 gab es rigide politische Anstrengungen zur Türkisierung. Kurdisch wurde als Erziehungssprache und Kommunikationsmittel verboten. Unter diesem Zwang wurden zahllose Menschen verhaftet und bestraft. Zehntausende Namen von Städten, Dörfern, Weilern, Bergen, Tälern und Hügeln wurden durch türkische ersetzt. Bei der Gelegenheit bezeichnete man die Kurden als 'Bergtürken'".
Der Aufruf endete mit der Aufforderung an die Regierung, die Kurden, die in der gesamten Geschichte im Völkermosaik Anatoliens ein Drittel ausgemacht hätten, dürften nicht länger diskriminiert werden.
Kolumnist und Politiker
Zülfü Livaneli schrieb Kolumnen für die großen türkischen Tageszeitungen Sabah und Milliyet und wurde 2002 als Abgeordneter der kemalistischen CHP ins Parlament von Ankara gewählt.
Bei Konzerten tritt er in letzter Zeit nur mehr selten auf. Das letzte Mal war das im Juli 2003 auf Zypern der Fall: Gemeinsam mit der Griechin Maria Farandouri hat er im südlichen, griechischen Teil von Nikosia ein Konzert für die Wiedervereinigung der geteilten Insel veranstaltet.
Buch-Tipp
Zülfü Livaneli, "Der Eunuch von Konstantinopel", aus dem Türkischen übersetzt von Wolfgang Riemann, Unionsverlag, ISBN 3293002757
Links
Zülfü Livaneli
Der Eunuch von Konstantinopel - Rezension und Biografie
Bundeszentrale für politische Bildung - Interview