Schauspiel-Star "beamt" sich ins Musik-Biz

Singender Sternen-Flotten-Offizier

Mehr als 35 Jahre nach Veröffentlichung seines Debüt-Solo-Albums "The transformed man" veröffentlicht der heute 73-jährige Schauspieler William Shatner alias James T. Kirk vom "Raumschiff Enterprise" ein pop-orientiertes und selbstreflexives Song-Album.

Schon seit Jahrzehnten fliegt der kanadische Schauspieler William Shatner - Captain James T. Kirk - an Bord des Raumschiffs Enterprise durchs All. Um Verwechslungen vorzubeugen: das einzig wahre hat die Seriennummer NCC-1701. Die Welt kennt ihn auch als biederen, pflichtbewussten Polizisten T. J. Hooker. Schon mal gesehen? Ziemlich miese US-TV-Serie. Aber egal.

Musikalisches Comeback

Ende der 1960er Jahre "beamte" Shatner schon einmal ein Album ins Musik-Universum. "The transformed Man" wartete mit eigenwilligen Interpretationen, unter anderem von "Lucy in the sky with diamonds" auf. Wie es sich für einen Kapitän der Föderation gehört, sprach Shatner die Texte anstatt sie zu singen. Zu klassischer Orchesterbegleitung rezitierte er Shakespeare-Texte. Das neue Album heißt nun: "Has Been". Ein gutes Album zum Kino-im-Kopf-Entwerfen.

Kompetente Songwriter-Hilfe

Shatners befreundeter Songwriter Ben Folds produzierte "Has Been" und schrieb die meisten Songs zu seinen Texten. Er kleidete seine Gedanken mit sensibel arrangierten Instrumental-Passagen aus, die einerseits Film-Noir-Charakter aufweisen, zum anderen aber oft auch komisch oder tragikkomisch sind, oder bissig, humorvoll, nachdenklich bis düster. Ziemlich gut das alles. Vielleicht hätte "James T. Kirk" besser Musiker und nicht Schauspieler werden sollen. Denn was sein filmisches Oeuvre angeht, gehört er ja nicht gerade zu den Besten seiner Zunft. Oder kann mich jemand eines Besseren belehren? Ist er einer von den großen Schauspielern der letzten 40 Jahre?

Popstücke wie Kurz-Filme

Shatner und Folds holten sich unter anderen großen Namen einen humoresken Zeitgenossen ins Team: den Autor des allseits bekannten Kino-Hits "High Fidelity".

Sie erinnern sich? Jenes herrliche Buch mit populärmusikalischem Hintergrund, das schon beim Lesen ein Film war. Richtig: Nick Hornby hieß der Autor und der Protagonist des Feature-Films: John Cusack. Hornby also schrieb die Nummer "Trying", die er, zusammen mit Ben Folds, wie einen Kinofilm in 3 Minuten 45 Sekunden anlegte. Und Shatner taucht als Narrator aus dem Off auf. Also ich hatte bei dieser Nummer irgendwie das Gefühl, im Kino zu sitzen. Auch der traurige Ton der Nummer evoziert irgendwie Kamerafahrten - durch städtisches Gebiet vielleicht - und einen durch seine Vergangenheit schlendernden (Rückblende!) Protagonisten: William Shatner.

Pop-Drama und Italo-Western

Tatsächlich ist die Nummer "Trying" ein Film, der die verzweifelten Versuche eines Vaters schildert, eine Beziehung zu seiner Tochter aufzubauen, obwohl es dafür längst zu spät ist. Mit dem Titelstück "Has Been" unternehmen Folds und Shatner schließlich einen Trip ins Spaghetti-Western-Soundtrack-Genre.

Obwohl: Ich kann mir einen James T. Kirk kaum als reitenden "Ungustl" vorstellen. Außerdem war diese spezielle Spezies von Westernhelden im Kino ja immer ziemlich wortkarg - und das kann man dem William Shatner auf dieser CD sicher nicht vorwerfen.

Ein Album als Testament?

Shatner hat sich mit dieser CD einen Traum erfüllt. Schon immer wollte er seine Gedichte, die er über all die Jahre seiner Karriere schrieb, irgendwann, irgendwie, irgendwo veröffentlichen. Dass er das auf einer Audio-CD macht, auf der er uns mit jeder einzelnen Nummer einen Film erzählt, freut den Cineasten besonders. Sind die Pop-Songs oder Gedichte vielleicht ohnehin als Drehbücher geschrieben?

Musik als Kino im Kopf

Gute Musik, das können wir Radioleute als Erste bestätigen, ist auch immer Kino im Kopf. Und das löst der Sternenflotten-Offizier mit seiner Stimme ein. Er weiß genau, wie und wann er Akzente setzen muss. Und irgendwie wird man unweigerlich an die Plattenaufnahmen des unvergesslichen William S. Borroughs erinnert, der sich ebenfalls in Spoken-Word- und Kino-Auftritten versuchte.

Kurzum: "Has Been" ist eines der besten Alben aus der Kategorie "Schauspieler nehmen Platten auf". Vielleicht sollte man einige dieser Geschichten verfilmen.