Der Star der Yellow Press

Yellow Dog

Spaß muss sein. Wenngleich, das vorweg gesagt, dieser Spaß nichts für zart besaitete Gemüter ist. Martin Amis genießt den zweifelhaften Ruf, der skandalöseste aller Skandalautoren Großbritanniens zu sein. Mit seinem neuen Roman wird Amis diesem Ruf einmal mehr gerecht.

"Yellow Dog", das kommt von Yellow Press. Yellow Press wiederum ist eine landläufige Bezeichnung für die englische Boulevardpresse, die ihrerseits ja im Ruf steht, die schlimmste, bösartigste, verlogenste und skrupelloseste des ganzen Planeten zu sein. Das müssen selbst so hochnoble Institutionen wie das britische Königshaus immer wieder schmerzhaft zur Kenntnis nehmen. "I'm not amused", lautet der lapidare und zugleich legendäre Standardkommentar von Queen Elisabeth bei solchen Medienereignissen.

Skandalöse Royals

Womit wir schon mitten in Martin Amis' Roman wären: Der englische König, unschwer ist an einigen Wesensmerkmalen Prinz Charles als Vorbild für die Romanfigur zu erkennen, seine erlauchte Majestät also, geht darin einer unstandesgemäßen und gleichermaßen schmutzigen Affäre nach. Noch dazu mit einer Chinesin. Damit nicht genug, tauchen noch skandalöse, sexuell eindeutige Videoaufnahmen auf, in denen die Tochter des Monarchen, die 16-jährige Thronfolgerin, die Hauptrolle einnimmt. Die indiskreten Aufnahmen der jungen Dame wurden auf unerklärliche Weise in ihrem Badezimmer angefertigt.

Womit wir wiederum bei einer der Hauptfiguren des Romans, Yellow Dog, wären. Yellow Dog ist der Spitzname eines der Stars der Yellow Press. Clint Smokers alias Yellow Dogs Aufgabe und auch herausstechendste Begabung besteht nicht darin, zu recherchieren und die Ergebnisse seiner Recherche-Arbeit dann wahrheitsgemäß ins Blatt zu rücken. Im Gegenteil. Der Job dieses Stars unter den Schmutzschreibern besteht darin, eklige Storys möglichst eklig breit zu treten. Und bei Bedarf, nämlich in Ermangelung solcher Storys, sie so ungustiös wie möglich zu erfinden. Darin ist Yellow Dog freilich unschlagbar. Weil aber im Zweifelsfall die Wirklichkeit immer noch jede noch so gute Erfindung übertrifft, kommen jene Aufnahmen aus dem Badezimmer der jungen Prinzessin für ihn und seinen Verleger einer Lizenz zum Gelddrucken gleich.

Shame and scandal in the familiy

Als eigentliche Hauptfigur in dem personen- und actionreichen Drama ist ein Xan Meo anzusehen, ein erfolgreicher Schauspieler und Schriftsteller, der sich mit komplexen Verwirrungen hinsichtlich seiner familiären Herkunft konfrontiert sieht. Was dann vermeintlich inzestuöse Handlungen partiell wieder ins nicht-inzestuöse verschiebt.

Erinnern Sie sich an den berühmten Pop-Song "Who is me - shame and scandal in the familiy"? Ja, genau so geht's in "Yellow Dog" zu. Jener geplagte Meo wird bereits in den ersten Seiten des Romans bei einem Spaziergang durch London brutal zusammengeschlagen. Womit, nach einem Spitalsaufenthalt, einerseits ein partieller Gedächtnisverlust einhergeht, und andererseits eine markante Veränderung seiner Persönlichkeit: Der vormals biedere, sozial angepasste und treu sorgende Familienvater wird zum rastlosen Sexmaniac und wütenden Ungustl.

Hart an der Grenze

Und womit andererseits das zweite hervorstechende Element der weiteren Romanhandlung, neben ausuferndem Sex, definiert ist: ausufernde Gewalt. So weit, so postmodern. Die recht vielfältigen und divergenten Handlungsebenen und Erzählstränge greifen nicht immer restlos überzeugend oder plausibel ineinander. Bei manchen fragt man sich nach beendeter Lektüre, wie sie überhaupt gemeinsam in ein Buch geraten konnten. Doch vielleicht ist das ja auch beabsichtigt. Der Autor Martin Amis ist zudem ein Vollprofi, und so ist das Buch jedenfalls spannend zu lesen.

Für Menschen, die keinen Humor, namentlich keinen derben Humor verstehen, ist das Buch eher nicht zu empfehlen. Die Grenze zur Geschmacklosigkeit wird nicht nur massiv überschritten, vielmehr kennt Martin Amis eine solche Grenze gar nicht. Für Genießer des Ausufernden und allzu Frechen könnte das Buch aber doch interessant und witzig zu lesen sein. Sicher ist, dass es sich, will man "Yellow Dog" als Sittenkomödie verstehen, um die trashigst-denkbare Variante dieses Genres handelt.

Buch-Tipp
Martin Amis, "Yellow Dog", ins Deutsche übersetzt von Werner Schmitz, Hanser Verlag, ISBN: 3446205241