Reisen bildet, oder?
Der reisende Afghane
Tahir Shah, der 1966 geborene Spross einer ostafghanischen Fürstenfamilie, wuchs wie ein ganz normaler Bub in einem netten, kleinen, englischen Dorf auf. Nichts deutete darauf hin, dass er anders als die Nachbarbuben sein könnte, bis etwas geschah.
8. April 2017, 21:58
Eines Tages stand ein Gast aus der Heimat vor der Tür, ein Paschtune, dessen Vorfahren Kampfgenossen von Tahir Shahs Familie waren. Er blieb einen Sommer lang, und Tahir, damals elf Jahre alt, wich ihm die ganze Zeit nicht von der Seite. Der Besucher war nämlich so etwas wie ein Zauberer, und er hatte sich bereit erklärt, ein wenig von seinem Wissen an den Sohn seiner Gastgeber weiter zu geben. 
Nicht dass Sie nun denken, hier beginne eine Art Harry-Potter-Geschichte mit allem Drum und Dran samt Zauberstab und Zaubersprüchen. Nein, die Sache bleibt so real wie alles, was mit der Kunst der Illusionisten zu tun hat, denn nichts anderes lernt der Bub: Glas essen, den Arm in kochendes Öl tauchen, glühendes Eisen ablecken und so weiter. Und das wird der Familie per Galavorstellung demonstriert. "Mein Vater schaute ungläubig zu", erinnert sich Tahir Shah, "sichtlich erschüttert, dass man seinem Sohn beigebracht hatte, Glas zu essen, noch dazu mit Genuss."
Studien in Sachen Magie
Und dann reiste der Gast ab, und alles schien wie vorher. Bis der Blues, l'Ennui, oder die schlichte Langeweile des britischen Stadtlebens den jungen Mann zwanzig Jahre später Richtung Indien trieb, um dort seine Studien in Sachen Magie und Illusionskunst fortzuführen. 
Mit Sicherheit hatte er schon bei seiner Abreise die Idee, aus seinen Erfahrungen ein Buch zu machen, denn "Der Zauberlehrling", 1998 fertig gestellt, 2001 in London erschienen, ist nicht sein erstes Buch. Das erste veröffentlichte, bei dem sein Vater als Co-Autor zeichnet, gibt es bis lang leider nur in Englisch: "The Middle East Bedside Book", ein Mittelding zwischen Anthologie und Reiseführer, das von der englischsprachigen Kritik in höchsten Tönen gelobt wurde.
Reisen für Geschichten
Dann eine Reise nach Namibia, 1994 zum Buch geworden. Dann eine Begegnung mit einem indischen Gond, einem Erzähler, der seine Ursprünge auf das sagenhafte Volk zurückführt, das den Urkontinent Gondwanaland bewohnte - und eine Reise, um dessen Geschichten nachzuspüren. 
Und dann eben die Reise ins magische Indien. Um Zauberer zu werden. Um Prüfungen über Prüfungen zu bestehen. Und letztendlich die letzte große Prüfung anzugehen und das magische Indien zu erkunden. Wobei er die absonderlichsten Gestalten trifft: Skeletthändler, Baby-Verleiher, Amateur-Exorzisten...
Fast ein Forscher
Tahir Shah scheint sich spezialisiert zu haben: auf außergewöhnliche Reisen und außergewöhnliche Reisebücher. Wer sonst nimmt schon die Mühe auf sich, in den entlegensten Dschungeln Perus nach den legendären Vogelmenschen zu suchen, an die schon Pizarro nicht geglaubt hat? (2003 als "Trail of Feathers" erschienen.) Oder den Gerüchten von Henry Rider Haggard und einigen dürftigen Hinweisen aus der eigenen Familiengeschichte zu folgen, um dem "Schatz des Königs Salomo", den sagenhaften Goldminen, nachzuspüren?
Buch-Tipps
"Der Zauberlehrling von Kalkutta. Reise durch das magische Indien", Droemer Knaur, ISBN 3426272997
"Der Schatz des König Salomon. Auf der Suche nach dem biblischen Gold", Goldmann Verlag, ISBN 3442152879
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Tahir Shah

 
     
           
          