Robert FitzRoy vs. Charles Darwin

Darwins Kapitän

Um ein Haar hätte Charles Darwin nie die Welt umsegelt und somit nie seine Evolutionstheorie entwickelt. Der amerikanische Autor Peter Nichols zeichnet nach, welche Zufälle und Tragödien dazu führten, dass ein junger Naturkundler namens Darwin auf der Beagle landete.

Im Zentrum von "Darwins Kapitän" steht der junge Aristokrat Robert FitzRoy, der die Beagle mit nur 23 Jahren übernahm. FitzRoy führte den Auftrag, die Küste Südamerikas um das Kap Horn zu vermessen, bravourös fort. Der Kapitän war ein begeisterter Wissenschaftler, und als solcher interessierten ihn auch die einheimischen Feuerländer, von denen er drei schlicht kidnappte und nach England brachte.

Solche Entführungsopfer waren "Exemplare", wie FitzRoy die Feuerländer ganz selbstverständlich nannte - ebenso wie eine Brotfrucht oder ein argentinisches Oppossum: Man sammelte sie zum Nutzen der Wissenschaft und studierte sie um ihrer selbst Willen.

Ein Naturkundler zur Gesellschaft

Die Admiralität war mit FitzRoys Vermessungen hochzufrieden und trug ihm eine weitere Expedition an. Doch eine zweite lange Reise wollte er nicht allein unternehmen. Er fürchtete die lange Einsamkeit ohne Gesellschaft. Als Gesellschafter suchte er einen Naturkundler. Der damals 22 Jahre alte Charles Darwin war unbekannt und anfangs nicht gerade die erste Wahl. Dennoch kam ein Treffen zustande, das leidlich gut ablief. Nur etwas störte FitzRoy, der ein Anhänger der so genannten Phrenologie war, wonach Gesicht und Kopfform Schlüsse auf den Charakter zulassen: Er mochte Darwins große Nase nicht.

"Darwins Kapitän" ist mehr als eine Biografie über den Mann in Darwins Schatten. Darwin und FitzRoy verkörpern die alte und die neue Ordnung im wissenschaftlichen Denken. FitzRoy und Darwin sahen dieselben Pflanzen, beobachteten dieselben Tiere. Und dennoch zogen beide später ganz andere Schlüsse daraus.

Auf Galapagos war alles anders

Die Beagle stach im Dezember 1831 in See. Jedes Mal, wenn das Schiff anlegte, sammelte Darwin Tiere und Pflanzen, die er in Fässern und Dosen zurück nach England schickte. Als sie Feuerland erreichten, setzten sie die drei Indianer ab, die FitzRoy entführt hatte. Ein Missionar, der bei den Feuerländern bleiben sollte, fand die Aufgabe zu gefährlich und ging wieder an Bord.

Im Herbst 1835 durchlitt FitzRoy eine Nervenkrise und enthob sich kurzfristig selber des Kommandos. Doch er erholte sich, und die Reise ging weiter zu den Galapagos-Inseln. Diese beeindruckten Darwin nach der üppigen Fauna Südamerikas zunächst gar nicht. Die Schildkröten fand er interessant, doch die Leguane waren ihm zuwider. Erst nach seiner Rückkehr nach England wurde Darwin klar, was seine Sammlung von Pflanzen und Tieren der Insel so außergewöhnlich machte.

Die Mehrheit aller dort gefundenen Tiere und Blütenpflanzen war auf der Insel endemisch. Es gab sie nirgendwo sonst.

Die "ketzerische Ansicht" setzt sich durch

Im Oktober 1836 legte die Beagle in England an. FitzRoy und Darwin gingen dannach weitgehend getrennte Wege. Darwin näherte sich immer mehr seinen späteren Theorien an. FitzRoy hingegen entwickelte sich zu einem christlichen Fundamentalisten. Er lehnte auch die damals noch so bescheidenen Ansätze von Darwins Evolutionsdenkens als ketzerisch ab. Am Aussterben der Dinosaurier, so FitzRoy, sei etwa die Sintflut Schuld gewesen.

Dass Darwins Werk "Entstehung der Arten" 1859 zu einem Bestseller wurde, traf FitzRoy zutiefst. Noch mehr schmerzte ihn Darwins Geste.

Darwin hatte ein Exemplar an FitzRoy geschickt, in Anerkennung ihrer Bekanntschaft und der Tatsache, dass es ohne FitzRoy kein Buch gegeben hätte - keinen Darwin, wie die Geschichte ihn gerade wahrzunehmen begann. Dies war beiden Männern klar, und für FitzRoy war diese Einsicht furchtbar.

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Peter Nichols, "Darwins Kapitän", Europa Verlag, ISBN: 320380526X