Karrieren mit Verknüpfungen
Gedenken an vier Sänger-Persönlichkeiten
Die erste "Apropos Oper"-Ausgabe 2005 ist dem Gedenken an vier Sänger-Persönlichkeiten gewidmet: Der kürzlich verstorbenen Elena Souliotis, dem großen "Met"-Tenor Richard Tucker, der Callas-Lehrerin Elvira de Hildago, sowie der Sopranistin Toti Dal Monte.
8. April 2017, 21:58
Die erste "Aprpos Oper"-Ausgabe dieses Jahres beginnt mit einem Gedenken an die griechische Sopranistin Elena Souliotis, die in den 1960er Jahren als große Hoffnung, ja sogar als Callas-Nachfolgerin galt, die am 4. Dezember des Vorjahres in Florenz gestorben ist.
Die 1943 in Athen geborene Künstlerin konnte leider nicht das erfüllen, was man anfangs von ihr erwartet hatte. Vorschnell in ein allzu schweres Fach gedrängt, war ihre Karriere nach nicht einmal einem Jahrzehnt bereits wieder vorbei, sieht man davon ab, dass sie viel später dann ein Comeback im Charakterfach versucht hat und so z. B. noch im Jahr 2000 in Stuttgart als Gräfin in "Pique Dame" aufgetreten ist.
Stimmlicher Selbstmord
Einige wenige Platten aber belegen ihr großartiges Stimm-Material, mit dem die Souliotis aber leider offenbar nicht so umgegangen ist, wie ihr das zumindest eine ihrer Lehrerinnen geraten haben muss, nämlich Mercedes Llopart, bei der z. B. auch Fiorenza Cossotto, Renata Scotto oder Alfredo Kraus studiert haben, die alle eine sehr lange Karriere hatten.
Die Souliotis hat mit ihrer Stimme, mit ihrem Talent offenbar das getan, was sie in der großen Arie als Titelheldin in Amilcare Ponchiellis "La Gioconda singt: "Suicidio", also stimmlichen Selbstmord. Anders lässt sich der rasche Verfall nicht erklären.
Richard Tucker (1913-1975)
Seinen Zenit so lange wie möglich beizubehalten, ja sich ausdrucksmäßig sogar noch immer weiter zu steigern, das war das künstlerische Ziel des großen amerikanischen Tenors Richard Tucker, dessen 30. Todestag sich jährt.
Mit der Partie des Enzo in "La Gioconda" debütierte Tucker 1945 an der MET, deren Erster Tenor er für die nächsten drei Jahrzehnte er schließlich werden sollte. Die musikalischen Wurzeln dieses Ausnahmekünstlers, der mit seinem richtigen Namen eigentlich Rubin Ticker hieß, lagen im streng Jüdischen.
Sohn rumänischer Einwanderer
Geboren wurde Tucker am 28. August 1913 in Brooklyn als Sohn armer rumänischer Einwanderer. Sein erstes Geld verdiente er sich als Laufbursche eines Wallstreet-Maklers. Sein gesangliches Talent aber fiel bereits weit früher auf - denn bereits als Kind hat er im Chor der Synagoge gesungen. Sein größter Wunsch war es damals, selbst einmal Kantor zu werden.
Und tatsächlich fühlte er sich sein Leben lang dem Kantorengesang verbunden, hat auch auf diesem Gebiet sehr viele Platten aufgenommen und ebenso immer wieder in Synagogen gesungen, auch hier bei uns in Wien. Seine Ausbildung zum Opernsänger erhielt Tucker hauptsächlich beim amerikanischen Tenor Paul Althouse, dem er vor allem seine nahezu unfehlbare Technik verdankt, für die ihn selbst heute noch Größen von James Levine bis Luciano Pavarotti bewundern.
Der führende "Met"-Tenor
Trotz aller anderen Tenor-Größen von Björling bis di Stefano und von Corelli bis Domingo, konnte Richard Tucker seine führende Stellung an der "Met" fast drei Jahrzehnte bis zu seinem plötzlichen Tod vor 30 Jahren behaupten. Seinen größten Wunsch aber, Halevys "Jüdin" endlich wieder auch an die "Metropolitan" zu bringen, wurde durch seinen Tod vereitelt. Das ist erst Neil Shicoff in unseren Tagen geglückt.
Am 8. Jänner 1975, mitten während einer Konzert-Tournee mit seinem Bariton-Kollegen Robert Merrill, starb Richard Tucker in Kalamazoo in Michigan ganz plötzlich an einer Herzattacke. Mitten aus dem Leben herausgerissen konnte so aus seinen zahlreichen Plänen damit auch sein geplantes längst fälliges Wien-Gastspiel nicht mehr stattfinden.
Eine Verknüpfung
Und hier sind zwei Fäden miteinander zu verknüpfen: Der eine betrifft Tuckers "Met"-Debüt als Enzo, der andere seine Beschäftigung mit der Partie des Radames in Verdis "Aida". Denn beide zusammen führen zu Maria Callas:
Ihr großes internationales Debüt fand bekanntlich 1947 in der Arena von Verona als "Gioconda" unter Maestro Tullio Serafin statt - mit Richard Tucker als ihrem ebenso umjubelten Tenorpartner. Und alle drei finden sind auch bei der im August 1955 von Walter Legge produzierten "Aida"-Gesamtaufnahme wieder.
Elvira de Hidalgo (1892-1980)
Und noch ein weiterer Faden spinnt sich nun von Maria Callas - und zwar zu ihrer Lehrerin Elvira de Hidalgo, der bedeutenden spanischen Koloraturdiva. Obwohl 35 Jahre älter als ihre berühmteste Schülerin, hat die Hidalgo Maria Callas immerhin um drei Jahre überlebt.
Vor 25 Jahren, am 21. Jänner 1980, starb Elvira de Hidalgo in Mailand. Sie wird in der Sendung u.a. mit einer gefürchteten Koloratur-Piece, mit der Nachtigall von Alexander Alyabyev, die übrigens Edita Gruberova am vergangenen Silvester-Abend auch bei der "Fledermaus" in der Staatsoper als Einlage gesungen hat. Hidalgos Schallplatten-Aufnahmen stammen vorwiegend aus dem ersten Jahrzehnt ihrer Karriere, die 1908 in Neapel begann, und sind daher alle noch Trichteraufnahmen.
Toti Dal Monte (1893-1975)
Ebenfalls im Jänner 1975 starb die Sopranistin Antonietta Meneghelli, die unter dem Namen Toti Dal Monte in den 1920er und 1930er Jahren, auch von Toscanini sehr gefördert, eine der großen Ikonen italienischer Gesangs- bzw. Koloraturkunst war.
Ihre Einspielung der Wahnsinns-Szene aus "Lucia di Lammermoor" gehörte in der Vor-Callas-Ära lange Zeit zu den Schallplatten-Bestsellern. 1929 sang sie die Lucia übrigens auch beim legendären Wiener "Scala"-Gastspiel unter Toscanini zusammen mit Aureliano Pertile und Benvenuto Franci.