Eroberer der Welt

Alexander der Große

Robin Lane Fox zeigt, wie sehr das widersprüchliche Alexanderbild der Moderne auf der Widersprüchlichkeit der Quellen beruht, die schon die Zeitgenossen Alexanders polarisierten. Er lässt seine Leser auch an den Schwierigkeiten der Altertumsforschung teilhaben.

Die heroischen Züge bleiben, doch Helden sehen heute anders aus. Im Falle Alexanders ist ein gottgleicher König menschlicher, damit widersprüchlicher geworden. Er liebte auch Männer, mordete Freunde, irrte, soff und hurte während er gleichzeitig militärische Höchstleistungen erbrachte und außergewöhnliche emotionale Intelligenz in der Menschenführung zeigte. Für die Geschichtsschreibung seines 10-jährigen Asien-Feldzuges waren eigens mitgeführter Historiker unter Führung von Alexanders Freund Kallisthenes verantwortlich. Auf seinen Wunsch schufen sie das Bild vom Götterkönig und zimmerten eine eigene Abstammungsgeschichte von Alexander als Sohn des Zeus zurecht.

Ein Mann mit Charisma

Dem britischen Historiker Robin Lane Fox gelingt es zu zeigen, wie sehr das widersprüchliche Alexanderbild der Moderne auf der Widersprüchlichkeit der Quellen beruht. Erstaunlich ist gleichermaßen die Vielzahl der überlieferten Informationen und ihre chronische Unzuverlässigkeit.

Fest steht, dass der makedonische Königssohn 333 v. Chr. mit 50.000 Soldaten, davon 6000 Reitern, über Ägypten in Richtung Asien zog. Schon sein Vater Philipp II. hatte in mehreren Jahrzehnten ein stehendes Heer aufgebaut, hatte Disziplin, Drill, neue militärische Strukturen und Techniken eingeführt. Die makedonische Armee verfügte über die besten Reiter und entwickelte geschickte Angriffstaktiken, die in der übrigen antiken Welt noch unbekannt waren. Nach der zermürbenden Belagerung der Stadt Tyros am Mittelmeer etwa gelang es Alexander kurze Zeit später nochmals, seine Truppen für die Belagerung der Stadt Gaza zu begeistern. Sie lag auf einem hohen Schuttkegel und galt daher als kaum einnehmbar:

Alexanders Lösung war bezeichnend. Die Bürger Gazas rühmten sich ihrer steil aufragenden Festung; schön, wenn die Stadt zu hoch lag, dann musste eben das Bodenniveau angehoben werden, um an die Stadt heranzukommen. Es wurde Befehl gegeben, an der südlichen Stadtmauer einen Hügel aufzuschütten, der nach makedonischen Schätzungen 130 Meter breit und 82 Meter hoch war - auch wenn diese Angaben zweifellos übertrieben sind.

Die Vergöttlichung Alexanders

Nach dem Sieg über Gaza war der Weg nach Ägypten nun frei. Militärisch ein Kinderspiel, zog es Alexander in die Oase Siwah, dem ägyptischen Orakel, das dem Gott Ammon geweiht war. An diesem Ort vollzog sich die Vergöttlichung Alexanders, indem ihm eine Abstammung von Gott Zeus Ammon angedichtet wurde, die ihm selbst den Pharaonentitel einbrachte und die Herrschaft der Ptolemäer durch seinen engen Freund und Heerführer Ptolemeios in Ägypten begründete. Das war ein ausgeklügelter kultureller Schachzug.

Der neue Mythos verstärkte die Kampfkraft. Dem Weg nach Asien stand nur mehr das Perserreich des König Dareios - auch er als Gott verehrt - entgegen. Abgesehen vom militärischen Sieg in der Schlacht bei Gaugamela gelang es Alexander auch in Persien, sich mythologisch zum Heros einer Ost-West-Integration zu stilisieren, und Dareios, der nicht im Kampf besiegt, sondern von seinen eigenen Höflingen ermordet wurde, als persischen König zu ersetzen.

Prunk und Verschwendung

Alexander gewann die Sympathie der Perser. Alsbald begann er auch einen Prunk wie ein orientalischer Despot zu entfalten, verschwendete sein Geld für Luxus und Trinkgelage, hielt liegend auf Sofas Audienz und ließ sich einige Zeit später sogar wie ein Gott verehren:

Diese Verehrung als Gott war mehr als nur eine verständliche Weiterentwicklung der Vergangenheit. Alexander ist - neben der einen Ausnahme Caesar - der einzige Mann in der Geschichte der Antike, dessen Göttlichkeit weithin akzeptiert und geglaubt wurde.

Beginn de Niedergangs

Eine andere Interpretation führt die zunehmende Verschwendungssucht und Prunkentfaltung des einst bescheidenen Feldherrn auf die beginnenden Zeichen seines Niederganges zurück. Demnach haben emotionelle Krisen den Kampfwillen Alexanders gebrochen. Im Affekt und Suff erstach er seinen Freund und wichtigen Reiterführer Kleitos vor den Augen seiner Gäste bei einem Abendmahl. Kleitos hatte ihm einst sogar das Leben gerettet. Danach versank er in Depressionen und Schuldgefühle.

Obwohl Alexander mit seinen Truppen noch den Hindukusch überquerte und bis ins Innere Indiens vordrang, wurde der Kampfgeist seiner Truppen durch die Strapazen geschwächt. Als am Rückweg aus Indien sein langjähriger Geliebter Hephaistion an Typhus starb, erlitt Alexander einen Zusammenbruch, von dem er sich nie mehr erholen sollte.

Hephaistion war der Mann, den Alexander liebte, und bis ans Ende ihres Lebens blieb ihre Beziehung innig und vertraut. Alexander sei nur einmal besiegt worden, bemerkten die Philosophen aus der Schule der Kyniker lange nach seinem Tod, und zwar durch Hephaistions Schenkel.

Todesursache: unbekannt

Über diesen Verlust kam Alexander nie hinweg. Zwar ehelichte er wenig später Roxane, die Tochter eines Mörders Dareios', und sie gebar ihm einen Sohn, der allerdings erst nach Alexanders Tod zur Welt kam. Er selbst starb im Alter von nur 32 Jahren in Babylon wahrscheinlich an einem Fieber, mit Sicherheit aber infolge zunehmender körperlicher Schwäche, herbeigeführt durch wochenlange Trinkgelage. Da ein so profanes Ende seinen Geschichtsschreibern nicht akzeptabel schien, existieren mehrere Vergiftungsversionen, die sich - so der Autor Robin Lane Fox - allesamt nicht halten lassen.

Der englische Historiker aus Oxford war selbst erst 27 Jahre alt, als er die erste Fassung seiner Alexander-Biografie veröffentlichte. Er las dafür 1472 Bücher und Aufsätze und bereiste das gesamte Alexanderreich bis nach Indien. Sein Lesepublikum hat ihm seine akribische Recherche mit Enthusiasmus gedankt, die Fachwelt bleibt - wie könnte es anders sein - gespalten.

Buch-Tipp
Robin Lane Fox, "Alexander der Große - Eroberer der Welt", Verlag Klett-Cotta, ISBN: 3608940782

Kino-Tipp
"Alexander" mit Colin Farrell in der Titelrolle ist derzeit im Kino zu sehen.
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