Der amerikanische Gitarrist John Fahey
"Silent Night" mit Südstaaten-Akzent
Wo sich südstaatliche Slide-Gitarren mit kalifornischen Sonnenuntergängen treffen, da wird auch die "Stille Nacht" zu einem eigentümlich melancholischen Blues, vor allem wenn man den amerikanischen Gitarristen John Fahey und sein Christmas-Solo-Guitar-Album hört.
8. April 2017, 21:58
John Fahey's "slidiges" "Holy Night, Silent Night"
Der zwischen Folk, Blues und Minimal-Avantgarde höchst eigenwillig changierende amerikanische Gitarrist John Fahey hinterließ ein ebenso eigenwilliges Christmas-Solo-Guitar-Album. Doch dieser Ausflug in ein Weihnachtsland der Rentier-Rudolphs und Santa Clauses kennt auch hinterhältige Überraschungsangriffe auf Santa Claus, der dann plötzlich aussieht wie ein Punk.
"On the Banks of the Owchita"
Als der Gitarrist John Fahey 1964 das folkartige Gitarrensolo On the Banks of the Owchita" aufnimmt, beruht dies vage auf einer amerikanischen Folk-Melodie, ist aber gründlich interkulturell durchgearbeitet. Die kleine Melodie entstammt einem indischen Film aus 1958, zu dem Ravi Shankar die Musik geschrieben hat, und John Fahey - junger und schon irgendwie extravaganter Gitarrist - merkt zu dieser Nummer an, er habe - früher in Berkely - diesen Film mehrmals gesehen, um sich von den beiden wahrlich depressiven Umständen seines damaligen Lebens zu erholen, davon, dass er keine Freundin finden konnte, und davon, dass er die Philosophie-Prüfungen nicht schaffte.
Aggressive Instinkte aus den späten 50ern
Erster und lebensprägender musikalischer Einfluss für John Fahey war in den späten 50er Jahren der Blues aus dem Mississippi-Delta:
"Der Grund, weswegen ich Patton und die anderen Delta-Sänger so sehr mochte, war ihr Zorn. Ihre Musik ist voller böser Vorzeichen."
Gemeint ist Charlie Patton, eine der Legenden des alten Bluesspiels im Mississippi Delta. Schon mit seiner ersten Platte, eingespielt 1959, setzte sich Fahey ins Verhältnis zu dieser Tradition, und zwar nicht nur musikalisch, sondern auch, indem er gleich einen fiktiven Bluesman erfand, den dieses Album angeblich präsentierte, "Blind Joe Death", fast ein alter ego. Ein paar Jahre später erschien "The Transfiguration of Blind Joe Death". "Blind Joe Death", ergänzte Fahey noch, "war die Verkörperung von allen aggressiven Instinkten in mir."
Alt-Weihnachtliches bluesig aufbereitet
Drei Jahre später, 1968, nahm John Fahey, der sich aufbauend auf seiner Blues- und Bluegrass-Liebe mehr und mehr Terrain erschloss, wieder traditionelles Liedgut auf, doch diesmal überraschenderweise Alt-Weihnachtliches: "Go I Will Send Thee". Und wo sich südstaatliche Slide-Gitarren mit kalifornischen Sonnenuntergängen treffen, da werden auch weihnachtliche Nächte zu einem eigentümlich melancholischen Blues. Sein nächstes Christmas-Album beschloss John Fahey mit einer langen, zwanzigminütigen Christmas Fantasy, eine ebenso langsame wie abstrakte Annäherung an weihnachtliche Klänge.
Vom Blues- zum Slide-Gitarrenspiel
Mit der Zeit bot "Blind Joe Death" alias John Fahey eben nicht nur authentischen Country-Blues; er vermengte Bartok mit Patton, Popmelodien mit anglikanischer Mystik. Fahey studierte dann in Los Angeles "Folklore Studies" und stellte seine Ingredienzen nach und nach in neue Zusammenhänge - klassische Formen, Sonaten-Codas, Mikroklangwolken, "weiße" Sounds im schwarzen Blues, und - später dann - gewagte Dissonanzen durch chromatische Rückungen der Melodie über konstanten Wechselbässen. Zu Faheys Gitarrentechniken nur so viel: Sie führten durch Spiel- und Aufnahmetechnik zu einer Neusicht der Stahlsaitengitarre und des Slide-Gitarrenspiels.
Traditional Music mit Südstaaten-Akzent
Und damit müsste klar sein, dass wir uns der Stillen und Heiligen Nacht - wie John Fahey sie spielt - nicht respektlos, sondern hingebungsvoll nähern. John Fahey spielt Traditional Music, auch wenn sie aus Salzburg kommt, mit Südstaaten-Akzent. Eingespielt und veröffentlicht hat Fahey diese Version 1968. "Holy Night, Silent Night erscheint als letzter Cut, und das Album trägt insgesamt den bemerkenswerten Titel "The New Possibility - John Faheys Guitar Soli Christmas Album.
Es ist ein Ros' entsprungen
Selbstverständlich finden sich auf Faheys Weihnachtsplatten auch amerikanische Klassiker, doch der Gitarrist spielt auch eigenwillige Interpretationen deutschsprachiger Lieder, eines davon aus dem 15. Jahrhundert, erstmals veröffentlicht 1582, und das berühmteste Arrangement schrieb Michael Prätorius 1609: "Es ist ein Ros entsprungen, bei John Fahey aber: "Lo, How A Rose E'er Blooming - so heißt dieses Lied auf Englisch oft, recorded at United/Western Recording, Hollywood, 1975.
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John Fahey