Die Liechtenstein AG und ihr Fürst

Vom Agrarstaat zum Finanzzentrum Europas

Wie hat es das kleine Fürstentum Liechtenstein geschafft, sich von einem reinen Agrarstaat zum schwerreichen Finanzzentrum Europas zu entwickeln? Fürst Hans-Adam II., Herr über den viertkleinsten Staat Europas, gibt in einem Exklusiv-Interview Antworten.

Ausschnitte aus dem Interview mit Fürst Hans-Adam II.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Fürstentum Liechtenstein ein bettelarmes Land. Wie hat es der viertkleinste Staat Europas geschafft, sich von einem Agrarstaat zum schwerreichen Finanzzentrum Europas zu entwickeln? Wie konnte es sich vom Image eines Briefkasten- und Schwarzgeldlandes lösen? Und: Wie reich ist die Fürstenfamilie wirklich?

Die konstitutionelle Erbmonarchie

1136 erstmals urkundlich durch die österreichisch-mährische Familie Liechtenstein erwähnt, ist das Fürstentum mit seinen 160 Quadratkilometern Ausdehnung und rund 34.000 Einwohnern eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage. Staatsoberhaupt ist Fürst Hans-Adam II., der zusammen mit dem Landtag die Legislative bildet. In diesem Landesparlament geben zwei bürgerlich-monarchistische Parteien den Ton an: die Vaterländische Union und die Fortschrittliche Bürgerpartei.

Nicht nur Bankenzentrum und Steueroase

Liechtenstein ist als Bankenplatz und Steueroase bekannt. Tatsächlich aber gehört es zu den hoch industrialisierten Ländern der Erde mit dem höchsten Bruttoinlandsprodukt aller Industriestaaten. Seit 80 Jahren ist das Fürstentum in einer Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz verbunden. Fürst Hans-Adam II. hat zwar im August dieses Jahres die Regierungsgeschäfte seinem erstgeborenen Sohn, Erbprinz Alois, übergeben, blieb aber Staatsoberhaupt. Mit ihm sprach Oswald Klotz.

Exklusivinterview mit Fürst Hans-Adam II.

Was haben die regierenden Fürsten von Liechtenstein besser gemacht, als andere Monarchen und Staatsoberhäupter?
Ich glaube, dass wir einmal das große Glück hatten, dass unser kleines Fürstentum zwischen zwei Nachbarn gelegen ist, mit denen wir immer schon traditionell enge und gute Beziehungen hatten, die Schweiz und Österreich. Das hat uns natürlich schon Vieles erleichtert. Der zweite Vorteil war, dass das Fürstentum in seiner Geschichte sehr, sehr arm war und für die großen Mächte strategisch uninteressant.

Unter ihrem Vater, Franz Joseph dem II., ging es dem Staat nicht besonders gut; er begann bereits Bilder zu verkaufen. Sie haben das gedreht. Heute steht ihr Land wieder hervorragend da. Wie haben Sie das geschafft?
Als 1945 unser Vermögen verstaatlicht wurde, musste mein Vater von den Verkäufen leben. Mir ist es nun gelungen, das Vermögen wieder neu zu organisieren und auch andere neue Betriebe neu aufzubauen. Daraus entstanden Einkünfte, die dazu führten, dass wir jetzt sogar Kunstwerke wieder zurückkaufen können.

Liechtenstein zählt zu den bekanntesten Finanzzentren der Welt. U. a. gibt es 16 Banken mit einer Bilanzsumme von über 20 Milliarden Euro. Das Fürstentum gilt aber auch als Land der Briefkastenfirmen und ist bekannt für die steuerschonende Behandlung von Stiftungen. Der Geldwäscheausschuss der OECD hat Liechtenstein im Jahr 2000 vorübergehend auf die schwarze Liste gesetzt. Sind Sie über dieses Schmuddel-Image froh und was tun Sie dagegen?
Natürlich nicht. Es gab gewisse Schwachpunkte im Bereich der Finanzdienstleistungsaufsicht und im Bereich der Justiz. Wir hatten zu wenig ausgebildete Fachleute. Auch seitens der Regierung gab es Widerstand, das notwendige Geld zu investieren. Als uns diese Vorwürfe trafen, konnten wir vor allem auf die Unterstützung Österreichs zählen. Die österreichische Regierung hat uns Fachleute zur Verfügung gestellt, und man hat gewisse Gesetze geändert. Und heute haben wir einen Status erreicht, der besser ist als in den meisten anderen OECD-Ländern.

Sie gehören nicht gerade zu den ärmsten Familien in Europa, mit geschätzten vier bis fünf Milliarden Euro sind Sie eine der reichsten Familien. Wie reich sind Sie wirklich?
Das ist schwer zu sagen. Unser Reichtum besteht vornehmlich aus Grundbesitz und dem Kunstvermögen. Es wurde auch in Stiftungen geparkt. Im Bereich Kunst können die Werte mal rauf- mal runtergehen. Wenn sie schnell verkaufen wollen, ist beispielsweise ein wertvolles Bild plötzlich nichts mehr wert. Unser Vermögen besteht ja nicht aus Papieren, die täglich gehandelt werden.

Zahlen Sie und ihre Familienangehörigen Steuern?
Der Fürst und der Erbprinz ad personam nicht, aber unsere Unternehmungen zahlen Steuern, und wir waren in den letzten zehn, 15 Jahren indirekt über unsere Bank und unsere Unternehmungen der größte Steuerzahler in unserem Land.

Sie haben ziemliche Probleme mit der EU, wie reagieren Sie auf den Druck von außen?
Ähnlich wie die Schweiz haben wir uns auf den Standpunkt gestellt, dass das Bankgeheimnis erhalten bleibt, dass es keinen automatischen Informationsaustausch gibt und die Privatsphäre der Kunden zu schützen ist.

Sie sagen, die EU ist keine Alternative für Sie. Wollen Sie diese Sonderstellung beibehalten?
Ja, aus dem einfachen Grund: Eine Vollmitgliedschaft würde erhebliche Lasten bedeuten. Sie würde bedeuten, dass die Steuern erhöht werden müssten. Das würde in unserer direkten Demokratie zu einer Volksabstimmung führen und von der Bevölkerung abgelehnt werden.

Download-Tipp
Ein ausführliches Online-Interview mit Fürst Hans-Adam II, exklusiv für unsere Ö1 Club-Mitglieder, kann im Download-Bereich heruntergeladen werden, ebenso die Sendung "Saldo" nach Ende der Live-Ausstrahlung

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