Kleine Kunde großer Meister aus Ungarn

Eine "Brutstätte für Weltklasse-Dirigenten"

Oft wird dieses Land mit Paprika, Salami und billigen Zahn-Sanierungen assoziiert: Ungarn. Doch ebenso kann man unseren Nachbarn als "Land der Maestri" sehen. Im Rahmen der Ö1 "Nebenan"-Reihe werden große Dirigenten von Fritz Reiner bis George Solti präsentiert.

Die laufende Ö1 "Nebenan"-Woche hat jenes Land zum Gegenstand, das man gemeiniglich mit Paprika, Salami und billigen Gebiss-Sanierungen assoziiert. Doch mit mindestens ebensoviel Recht kann man Ungarn als Land der Maestri - oder als "Brutstätte für Weltklasse-Dirigenten" bezeichnen.

Eine kleine Auswahl großer Namen: Sandor Vegh, George Szell, Georg Solti, Ferenc Fricsay, Antal Dorati, Fritz Reiner, Istvan Kertesz und Eugene Ormandy. Im Folgenden eine kleine Kunde der großen Meister aus Ungarn.

Sandor Vegh, ein Spätberufener

Eine Legende war er schon als Geiger und Primarius des gleichnamigen Quartetts: Sandor Vegh, 1912 in Klausenburg geboren und vor sieben Jahren gestorben. Dirigent wurde er vorwiegend gesundheitlich bedingt in fortgeschrittenem Alter. Sein Name ist untrennbar mit der "Camerata Salzburg"verbunden, ebenso untrennbar verbunden war er mit Mozart.

Vegh war das absolute Gegenteil eines Star-Dirigenten. Er war die Inkarnation eines Musikers, der der höchsten Aussagekraft der Kunst Diener sein will.

George Szell (1897-1970)

Seine musikalische Ausbildung begann der in Budapest geborene begann George Szell mit sechs Jahren in Wien. 1908 gab er sein erstes öffentliches Konzert als Pianist und Komponist im Wiener Musikverein. Er trat 1913 erstmals als Dirigent des "Wiener Concertvereins" auf und wurde von Richard Strauss als Korrepetitor an die Berliner Oper geholt.

Nach diversen Engagements an europäischen Opernhäusern ging er 1940 nach New York, wo er als Lehrer, Dirigent (NBC-Orchestra und New York Philharmonic) und Pianist (u. a. gemeinsam mit Hindemith und Serkin) wirkte. Von 1942 bis 1946 betreute er das deutsche Repertoire an der Met. Danach wurde er Musikdirektor des "Cleveland Orchestra".

Sir George Solti (1912-1997)

Der Dirigent György (George) Solti, Jahrgang 1912, war ebenfalls gebürtiger Budapester. Im Alter von zwölf Jahren trat er zum ersten Mal öffentlich als Pianist auf. Er studierte Komposition und Klavier an der "Franz-Liszt-Musik-Akademie" in Budapest u.a. bei Zoltán Kodály, Ernst von Dohnányi und Bela Bartok. 1938 debütierte er als Dirigent an der Budapester Oper. Als Jude in Ungarn verfolgt, emigrierte er 1939 in die Schweiz. Er gewann dort 1942 den Genfer Klavierwettbewerb.

Nach dem Krieg wirkte Solti als Generalmusikdirektor in München und Frankfurt. 1969 wurde er Chef des "Chicago Symphony Orchestra". Weitere bedeutende Stationen in seiner Karriere waren die Londoner "Covent Garden Opera" sowie eine intensive Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern. George Solti, der im September 1997 starb, hinterließ der Nachwelt eine außergewöhnlich große Anzahl von Schallplatten- und TV-Aufnahmen.

Eugene Ormandy, legendärer "Philadelphia"-Chef

1899 wurde er als Jenõ Blau in Budapest geboren und studierte ebenfalls in seiner Heimatstadt Musik: Eugene Ormandy. 1921 übersiedelte auch er in die USA, wo er zunächst als Geiger, später als Dirigent eines Stummfilm-Kinos wirkte. Von 1938 bis zu seinem Abschied vom Konzertpodium im Jahr 1980 - also für über 40 Jahre - war Ormandy Chefdirigent des "Philadelphia Orchestra".

Es war eine geradezu legendäre Zusammenarbeit, die dem Orchester sein weltberühmtes Image und den Musikfreunden unzählige exemplarische Schallplatteneinspielungen bescherte. Zu seinen Domänen zählte vor allem die Musik Sergei Rachmaninows, er leitete aber auch zahlreiche US-Erstaufführungen von Symphonien Dimitri Schostakovitschs. Eine nicht selten gepflogene, besondere Liebe verband ihn mit der Musik von Johann Strauß. Ormandy starb 1985.

Istvan Kertesz (1929-1973)

Auch er stammte aus der ungarischen Hauptstadt und studierte an der dortigen "Liszt Akademie": Istvan Kertesz, Jahrgang 1929. Er emigrierte 1956, ließ sich zunächst in Deutschland nieder. 1965 wurde er Chefdirigent des "London Symphony Orchestra". Musikantentum und Werktreue - durchaus im Sinne Sandor Veghs - zeichneten seine Dirigierkunst aus, die ihn ans Pult der weltbesten Orchester führte.

Sein tragischer Tod - Kertesz ertrank 1973 im Alter von 44 Jahren beim Schwimmen anlässlich eines Israel-Urlaubes - beendete die Laufbahn eines enorm vielseitigen und hoch geachteten Musikers. Die vorhandenen Schallplattenaufnahmen demonstrieren seine außerordentliche Musikalität bei Komponisten wie Bruckner, Mozart, Verdi, Schostakowitsch, Dvorak, Mussorgsky und Schubert. Vom Letztgenannten ist eine exemplarische Gesamtaufnahme der Symphonien mit den Wiener Philharmonikern erhältlich.

Fritz Reiner (1888-1963)

Ebenfalls ein gebürtiger Budapester war Fritz Reiner, Jahrgang 1888, der 1910 in seiner Heimatstadt als Dirigent debütierte. Er war dann als Dirigent in Laibach, Dresden, Rom und Barcelona tätig. 1922 ließ er sich in den USA nieder. Er leitete die Orchester von Cincinnati und Pittsburgh und unterrichtete in Philadelphia, mit dessen Orchester er auch Opern-Aufführungen realisierte. Von 1948 bis 1953 war er auch an der New Yorker "Metropolitan Opera" tätig.

Reiner dirigierte 1955 den Rosenkavalier an der neuen Wiener Staatsoper. Vollblütiges Musizieren ohne Sicherheitsnetz war ein Charakteristikum seiner Dirigate, unter denen heute besonders die auch technisch erstaunlich qualitätvollen Aufnahmen der Orchesterwerke von Richard Strauss beeindrucken.

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