Kultur der Sprichwörter
Die Igbo
"Die Welt ist ein Maskentanz. Wenn du sie verstehen willst, kannst Du nicht auf einer Stelle stehen bleiben." Die Igbo, die dritte große Ethnie in Nigeria, kennt eine Menge Sprichwörter, die sie anwenden um die Welt zu erklären und zu trösten.
8. April 2017, 21:58
Das Sprichwort mit dem Maskentanz hat eine praktische und eine spirituelle Bedeutung. Zuschauer können den Maskentanz nicht einfach an einem Ort sitzend genießen. Die Masken, die Verkörperung der Ahnen, sind ständig in Bewegung. Sie stellen das Bindeglied zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart her, lehren durch ihr Herumwirbeln und Springen und Drehen, dass die Zeit ein ununterbrochener Fluss ist.
Wer dieses Ereignis genießen will, muss daher aufstehen, den Masken folgen, um sie herumgehen. Im übertragenen Sinn bedeutet es, dass sich Menschen nicht so tief in eine Sache verbohren sollen, weil sie sonst andere wichtige Aspekte gar nicht mehr erkennen können.
Eine pragmatische Kultur
Auch heute noch, nach dem verheerenden Biafrakrieg und trotz aller Veränderungen, die das moderne Leben verursacht, halten die meisten Igbo, die in einer Igbo-Gemeinschaft leben, die Werte ihrer Kultur hoch. Problematisch wird es für die, die in den großen Städten unter Menschen anderer Traditionen leben, da sich die Grundsätze der Igbo fundamental von denen anderer Ethnien unterscheiden.
Die Kultur der Igbo ist eine sehr pragmatische Kultur, offen für alles und sehr individualistisch. Niemand darf zum Beispiel den Titel seines Vaters erben. Das, was jeder selber leistet, zählt, nicht, was die Vorfahren geleistet haben. Also muss jeder seinen Platz in der Gemeinschaft erarbeiten.
Titelgewinn muss der Gemeinschaft abgegolten werden
Das mit den Titeln ist auch so eine Sache. Wenn ein begüterter Igbo sich entschloss, zu seinem Reichtum auch einen Titel, politische Macht, zu erringen, dann musste er einen guten Teil seines Vermögens "investieren", aber anders als bei uns: große Feste waren auszurichten, die Ältesten mussten bezahlt werden.
Und benötigte die Gemeinschaft etwas, um gegenüber der Nachbargemeinschaft besser dazustehen, ein neues Schulgebäude, oder eine Wasserleitung, dann hatte dafür ebenfalls der Titel-Anwärter aufzukommen. Wenn das alles erledigt war und er das Symbol seiner Macht erhalten hatte, war er zwar nicht mehr reich, stellte aber für die Gemeinschaft auch keine Bedrohung mehr dar.
Je höher der Titel, desto größer die Einschränkung
Titelträger mussten sich an diverse Tabus halten. Je höher der Titel, desto größer die Einschränkungen. Zum Beispiel war es nicht möglich, außerhalb des eigenen Gehöfts zu schlafen. Wer König, Eze, werden wollte, musste zuerst alle Schulden des Dorfes bezahlen!
Was wohl der Grund ist, weshalb die meisten Igbo-Gemeinschaften ohne König auskommen: weil niemand einen Job haben wollte, der so große Verantwortung, Disziplin und finanzielle Opfer forderte - eine kluge Einrichtung, um den Ehrgeiz möglichst in Grenzen zu halten.
"Die Welt ist ein Marktplatz"
Sympathisch ist auch das Prinzip, das Konzept größtmöglicher individueller Freiheit: jedem einzelnen Mann und jeder einzelnen Frau die Entscheidung über ihr eigenes Schicksal zu überlassen. Jeder hat das Recht, sein Leben so zu gestalten, wie er oder sie es für richtig hält. Auch dafür haben die Igbo ein Sprichwort: "Die Welt ist ein Marktplatz, auf dem man handeln kann".
Buch-Tipp
Ulli Beier, "Auf dem Auge Gottes wächst kein Gras. Zur Religion, Kunst und Politik der Yoruba und Igbo in Westafrika", Peter Hammer Verlag. ISBN 3872948172
Links
Die Igbo
Nigeria-World Factbook
Nigeria.com