Entdeckungen aus dem Reich der Operette
Mit dem Blick eines Seelendoktors
Unter dem Motto "Operette sich wer kann" präsentierte Burg-Doyen Michael Heltau im Rahmen des heurigen "KlangBogen"-Festivals seine jüngsten Entdeckungen aus dem Reich der Operette. Ein Solo-Abend eines großen Schauspielers, der zum Exempel für Theater-Kunst wurde.
8. April 2017, 21:58
"Operette sich wer kann" hieß das Motto, unter dem Burgtheater-Doyen Michael Heltau nun schon zum dritten Mal seiner Leidenschaft für die leichte Muse frönte. Im "Theater an der Wien" präsentierte der Publikumsliebling für das "KlangBogen-Festival" seine neuesten Entdeckungen aus dem Reich Lehárs, Kálmáns und Benatzkys. Heltau ist unermüdlich im Aufspüren von immer neuen Texten und Melodien aus dem Operettenland.
"Es geht ja doch immer um dasselbe Thema", kommentiert er selbst. Aber doch erscheint dieses Thema in immer neue Facetten, die sprachlich wie musikalisch fein modelliert und zu einem geistvoll beseelten Melodienreigen gebunden werden. Faszinierend, wie sich auf geradezu unmerkliche Weise die natürlichste Harmonie zwischen dem Chansonnier und der von Volksopern-Konzertmeisterin Bettina Gradinger geführten Musikergruppe einstellt. Da stimmt mit schlafwandlerischer Sicherheit alles, Melodiebögen und rhythmische Finessen werden fein harmonisiert, kleinste Verzögerungen beschleunigen den Puls - den der musikalischen Darbietung wie den der Zuhörerschaft.
Heltaus subtile Vermittlung
Diese Kunst beherrschen Heltau und seine Musikanten souverän - sie erzählen (auch dank Tscho Theissings feinsinnigen Arrangements) große Liebesgeschichten, kleine Seelenqualen, wunderbare Euphorien Marke Benatzky, Stolz, Kálmán und immer wieder Lehár, dessen einschmeichelnde Kunst erst dank Heltaus Eloquenz ihren ganzen Reiz entfaltet: Wie subtil der Meister mit seinen Tönen Inhalte vermittelt, erfährt man sonst nirgendwo auf der Welt.
Dem Burg-Doyen genügen dazu ein Mikrofon in der Hand, ein Zylinder oder ein Girardihut. Aus denen zaubert er ohne weitere Hilfsmittel abwechselnd Chansons, Lieder und Szenen. Loek Huisman stellt die Szenenfolge sensibel zusammen, Tscho Theissing knüpft sie musikalisch mit virtuoser Arrangeurshand zum theatralischen Ganzen.
Was hinter den Operetten-Texten steckt
Und Heltau zeigt mit Seelendoktor-Blick auf, was hinter den lieb gewordenen Operetten-Texten steckt: Es ist eines, schöne Melodien zu einem sympathischen Herz- und Schmerzknäuel zu verflechten. Es ist etwas ganz anderes, etliche bemerkenswerte Theater-Momente unterschiedlichster Provenienz als inhaltlich schlüssig ablaufende Unterhaltungs-Show zu arrangieren, die sich zum neuen, aufregenden Theater-Erlebnis verdichtet.
Heltau wickelt nicht einfach konzentriert ein Programm ab, er schleudert es unter Zusammenballung all seiner schauspielerischen Künste fehlerlos, mit Tempo, jugendfrischem Elan geradezu wie ein Vulkan heraus. So eruptiv, dass eine Nummer der nächsten die nötigen Flügel verleiht, um in Umkehrung des wahren Wortes, dass die ganze Welt Bühne sei, die Bühne kurzzeitig in die Welt zu verwandeln.
Ein Exempel für die Theater-Kunst
Das geht alles so unglaublich leicht, wenn Heltau und die auf ihn offenbar vollkommen eingeschworenen Musiker einander geschickt anzufeuern wissen und vom schmeichelweichen Liebeslied flugs in den kargen Erzählton einer Ballade wechseln, aus Kontrasten immer neue Energie gewinnend, und auf den Hochplateaus des Sentiments nicht sentimental zu werden.
Da wird der Solo-Abend eines großen Schauspielers zum Exempel für die Theater-Kunst so ganz im Allgemeinen. Nicht während des Abends, da ist man ganz gefangen, aber nachher, wenn die Melodien nachschwingen und man die Virtuosität des Künstlers zu enträtseln versucht, da wird es offenbar, dass Heltau aufs Natürlichste alle Tugenden der Schauspielerei vereint und nutzt, die uns heute so schmerzlich abgehen.
Die Kunst der subtilen Nuance
In seiner Soiree lehrt uns der Doyen die Kunst des Übergangs, der subtilen Nuance, des Überraschungs-Coups. Und mit einem Mal schwebt das ganze Publikum auf den Flügeln der Bühnenmagie in jene Regionen, wo Lachen und Weinen und Rührung und überhaupt alles, was im Leben nicht ungeschminkt sein darf, erlaubt ist und unhinterfragt ganz einfach passiert.
CD-Tipp
Michael Heltau liest Joseph Roth, "Die Kapuzinergruft", erhältlich im Ö1 Shop
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