“Causa Waldheim“

1988

1988 ist ein Jahr des Friedens und des Terrors. Gorbatschow will die Sowjetunion reformieren. Die UdSSR beendet den Krieg gegen Afghanistan und auch der Golfkrieg geht zu Ende. Österreich wird erschüttert von der “Causa Waldheim“ und dem Noricum-Skandal.

Teil 65: 1988

1988 ist ein Jahr des Friedens aber auch ein Jahr des Terrors.

Schiitische Luftpiraten kidnappen eine kuwaitische Boeing mit 97 Passagieren, um 17 Gesinnungs-Genossen in kuwaitischen Gefängnissen freizupressen.

Beim Absturz eines US-Jumbos über dem schottischen Ort Lockerbee kommen 273 Menschen ums Leben. Ursache für den Absturz war ein Sprengstoff-Anschlag auf das Flugzeug.

Schweres Erdbeben in Armenien

Ein schweres Erdbeben fordert in Armenien 100.000 Tote und eine halbe Million Obdachlose. Die Stadt Leninakan ist dem Erdboden gleichgemacht.

Der sowjetische Gesundheits-Minister Tschasow bezeichnet die Erdbeben-Katastrophe als tausend Mal schlimmer als Tschernobyl. Hilfe für die Opfer kommt aus der ganzen Welt, auch Österreich beteiligt sich daran.

Reformer Gorbatschow

Das deutsche Nachrichten-Magazin “Der Spiegel“ kürt 1988 Michael Gorbatschow zum Mann des Jahres. Sein “Glasnost“ und “Perestroika“ gehen der kommunistischen Orthodoxie gegen den Strich. Gorbatschow warnt die um ihre Privilegien zitternden Apparatschiks und hämmert den Genossen die Notwendigkeit radikaler Umgestaltung ein.

In drastischer Weise betont Gorbatschow, dass er ohne eine Reform der politischen Strukturen keinen Erfolg haben kann. Die Krise sei tiefer als angenommen, womit radikalere Formen nicht länger aufzuschieben seien.

Gorbatschow rüstet ab

In diesem Jahr übernimmt Gorbatschow die Funktion des Staats-Oberhaupts. Er tauscht zehn von zwölf Mitgliedern des Politbüros und 95 Prozent seiner 110 Minister aus. “Glasnost“ breitet sich in allen Bereichen, auch der Kultur aus. “Glasnost“ und “Perestroika“ greifen auch auf die anderen Staaten des Ostblocks über: Vom Baltikum bis zum Kaukasus wittert man Morgenluft.

Gorbatschow rüstet ab, er verspricht der UNO-Vollversammlung in New York den Abbau einer halben Million Soldaten, sowie den Verzicht auf 10.000 Panzer, 8.500 Geschütze und 800 Flugzeuge.

Ende des Afghanistan-Kriegs

Das Afghanistan-Abenteuer der UdSSR - das “Vietnam der Roten Armee“ - geht zu Ende. Dieser Krieg war ein Erbe der Breschnew-Ära. In Genf kann der Rückzugs-Vertrag unterschrieben werden.

Zurück bleibt ein verwüstetes Land mit einer Million Toten und fünf Millionen Flüchtlingen.

Frieden am Persischen Golf

Ein noch größerer Verhandlungs-Erfolg gelingt 1988 den Vereinten Nationen. Sie können den Frieden im Golfkrieg durchsetzten und beenden damit acht Jahre des Blutvergießens. Dem Irak war es bisher nicht gelungen, das iranische Khomeni-Regime in die Knie zu zwingen.

Die grausame Bilanz des Krieges sind eineinhalb Millionen Tote und Gesamt-Kriegskosten von 200 Milliarden Dollar.

Friedens-Verhandlungen

Dieses Jahr bringt aber auch weitgehend Frieden in Afrika. Aus Kambodscha kommen ebenfalls Signale der Entspannung, denn Vietnam will seine Truppen zurückziehen.

Auch die Ägäis-Rivalen Griechenland und Türkei beginnen mit Friedens-Verhandlungen. Die UNO kann erfolgreich vermitteln.

Gründung des Palästinenser-Staates

Der PLO-Chef Yassir Arafat verkündet 1988 die Gründung eines Palästinenser-Staates und die Anerkennung des Existenzrechts von Israel.

In Europa einigen sich Italien und seine Südtiroler Minderheit auf den Abschluss des so genannten “Autonomie-Paketes“, über das seit 1969 verhandelt wurde.

“Causa Waldheim“

Das beherrschende innenpolitische Thema des Jahres 1988 ist in Österreich die “Causa Waldheim“. Die Krise rund um den Bundespräsidenten strebt ihrem Höhepunkt zu. Im Zentrum der Kritik stehen Kurt Waldheims Kriegsjahre auf dem Balkan. Man wirft ihm vor, er habe sich bemüht, seine militärische Vergangenheit vergessen zu machen. Die Affäre belastet auch die Koalition und Kanzler Vranitzky droht mit Rücktritt: Waldheim schade dem Ansehen Österreichs im Ausland. Der Präsident gefährde den politischen Grundkonsens der zweiten Republik und blockiere die Arbeit der Regierung.

Kurt Waldheim merkt in einem Interview an, dass sein Rücktritt dem Land schaden würde. Er sei aber zur Versöhnung mit seinen Gegnern bereit.

Sinowatz tritt zurück

Doch die Waldheim-Diskussion ebbt wieder ab. Franz Vranitzky übernimmt den SPÖ-Parteivorsitz von Fred Sinowatz. Dieser war zurückgetreten, nachdem er in der “Causa Waldheim“ in den Verdacht der falschen Zeugen-Aussage geraten war.

Eine Zerreißprobe für die Koalition wird die sich nun entspinnende “Immunitätsdebatte“. Schließlich legt Sinowatz auch sein Nationalrats-Mandat mit der Feststellung zurück, er wolle die Koalition retten.

Aufregung um Draken-Kauf

Ebenfalls für Aufregung sorgt 1988 die Lieferung der - wie manche sagen - “schrottreifen Draken-Abfangjäger“, die um 2,4 Milliarden Schilling von Schweden gekauft wurden.

Ein weiterer Aufreger ist Jörg Haider, der die Koalition als “Rot-Schwarzes Narrenschiff“ bezeichnet und Österreich eine “Gauner-Republik“ nennt.

Noricum-Skandal

Hannes Androsch wird 1988 wegen falscher Zeugenaussage verurteilt und tritt als CA-General zurück.

In Linz platzt die Noricum-Bombe: Österreich liefert - als neutraler Staat - 140 VOEST-Kanonen im Wert von dreieinhalb Milliarden Schilling in den kriegsführenden Iran. Höchste politische Kreise sollen davon gewusst haben.