Katalanische Absurditäten

Buster Keaton der Literatur

"Fußballer, Buchhalter, Sportjournalist und Übersetzer" liest man als "bisherige Tätigkeiten" im Lebenslauf des katalanischen Schriftstellers Sergi Pàmies, der noch im Alter von zehn Jahren kein einziges Wort Katalanisch sprechen konnte.

Sergi Pàmies wurde 1960 in Paris geboren, 1971 übersiedelte seine Familie nach Barcelona, und da erst ergab sich für ihn die zwingende Notwendigkeit, die Sprache seiner Ahnen zu lernen. Schließlich wollte er unbedingt "mit den Mädels quatschen können", verrät er in einem Interview, von einem zum anderen Ohr grinsend, wie es so seine Art ist.

Heute gilt er als einer der wichtigsten Autoren der modernen katalanischen Literatur. Seine Werke werden ins Französische, Englische, Japanische, Deutsche (und Spanische?) übersetzt. Seine schriftstellerische Grundhaltung ist "Skurrilität", die Betrachtung des Normalen "von der anderen Seite der Realität", was ihm den Spitznamen "Buster Keaton der Literatur" eingetragen hat.

Zu jung für Franco

Er hat das "Glück der Spätgeborenen" auf seiner Seite: 30 Jahre früher hätte er weder Katalanisch sprechen noch denken und schon gar nicht schreiben dürfen - im Spanien Francos. Da hätte er schon ins benachbarte Frankreich auswandern müssen, wo eine große Zahl katalanischer Künstler und Intellektueller Zuflucht gefunden hat. Viele der im Exil lebenden Katalanen kehrten 1971 zurück.

In diesem Jahr - Franco war nicht mehr auf der Höhe seiner Macht - formierte sich die Opposition und forderte die Wiedereinführung demokratischer Institutionen und des Autonomiestatuts. Ein starkes Signal der Hoffnung.

Ewiger Kampf um Autonomie

Überhaupt haben sich die Katalanen nie unterkriegen lassen. Sie führen ihre Ursprünge auf phönizische Gründer zurück, oder karthagische, da sind sie sich selbst nicht ganz einig. Die Römer, die Goten, die Mauren und ihre Einflüsse haben sie zum eigenen Besten integriert. Als "Spanische Mark" waren sie ab dem 9. Jahrhundert Grenzposten des Fränkischen Reichs. 1137 vereinten sie sich mit dem Königreich Aragon - ein kluger Schachzug, denn Barcelona avancierte zu einem bedeutenden Hafen, dessen wirtschaftliche Macht sowohl Genua als auch Venedig gefährlich wurde.

Mit der Herrschaft von Isabella und Ferdinand, dem erzkatholischen Königspaar, begann der Stern Katalaniens unterzugehen: Ein Privileg nach dem anderen fiel. 1659 wurde der Norden Katalaniens ein Teil von Frankreich, und als die Habsburger 1714 den Spanischen Erbfolgekrieg verloren, wurden ihre katalanischen Verbündeten gleich mitbestraft: Das Katalanische wurde als Amts- und Gerichtssprache verboten und alle staatlichen Institutionen wurden der Krone in Madrid untergeordnet.

Gut fürs Selbstbewusstsein

Die Industrialisierung Anfang des 19. Jahrhunderts trug der katalanischen Region wirtschaftliche Vormachtstellung ein, was sich wiederum positiv auf das katalanische Selbstbewusstsein auswirkte und schließlich 1931 kurzfristig die Autonomie brachte, bis die Franco-Diktatur alles wieder auf Null stellte.

Katalanen leben nicht nur in Katalanien, sondern auch in den angrenzenden Territorien Valencia und Murcia, auf den Balearen, in Andorra, im Roussillon in Südfrankreich und in Alghero, der westlichsten Stadt Sardiniens. Laut der letzten Umfrage verstehen 95 Prozent der offiziell 6,5 Millionen Katalanen ihre Sprache, 90 bis 95 Prozent sprechen sie täglich.

Und nur, um die Bedeutung der Katalanen für die abendländische Kultur zu unterstreichen, seien noch ein paar nicht-literarische Katalanen erwähnt: Antoni Gaudí, Charlie Rivel, Pablo Picasso, Joan Miró, Salvador Dalí, Pablo Casals, Alicia de Larrocha, Jordi Savall, um nur einige zu nennen.

Service

Sergi Pàmies, "Der große Roman über Barcelona", deutsch von Elisabeth Brilke, Suhrkamp Verlag