Gerüchte - Pleiten - Pannen
Privatisierung im Zwielicht
Geplatzte Deals zwischen Telekom Austria und Swisscom verdeutlichen es: Die Privatisierungspolitik der Regierung und der Staatsholding ÖIAG ist ins Zwielicht geraten. Beschäftigte und Aktionäre sind verunsichert. Wer trägt die Verantwortung? Politiker oder Manager?
8. April 2017, 21:58
Wolfgang Schüssel und Claus Raidl zur ÖIAG
Telekom Austria und Swisscom - abgesagt. Ständige Gerüchte um die VA Tech, die Zukunft des 17.000-Mann-Konzerns liegt im Dunkeln. Beschäftigte und Aktionäre sind verunsichert. Die Privatisierungspolitik der Regierung und der Staatsholding ÖIAG ist ins Zwielicht geraten. Wer trägt die Verantwortung? Die Politiker oder die Manager?
Vorstand alleinverantwortlich
Claus Raidl, jetzt Chef von Böhler Uddeholm, früher Spitzenmanager in der ÖIAG und in der VÖEST-Alpine, stellt klar:
"Die Verantwortung für nahezu alles, was in einem Unternehmen passiert, trägt der Vorstand. Der Vorstand hat das Recht und die Pflicht, alles zum Wohl des Unternehmens zu tun. Nur in Ausnahmefällen hat er die Zustimmung des Aufsichtsrates einzuholen."
Gesetzliche Grundlage fehlte
Im Fall des geplatzten Deals zwischen der Telekom Austria und der Swisscom heißt das für die Staatsholding ÖIAG: Für eine Beteiligung an der Swisscom hat die gesetzliche Grundlage gefehlt, denn die ÖIAG darf keine neuen Beteiligungen dazukaufen. Der ÖIAG-Vorstand hätte jedes Recht gehabt, die Verhandlungen bis zu einer Änderung des ÖIAG-Gesetzes zu stoppen.
"Die vage Zusage des Finanzministers, er werde sich schon irgendwie darum kümmern, ist null und nichtig," stellt Claus Raidl fest.
Politiker können keine Weisungen erteilen
Zur VA Tech, bei der gerade Gespräche mit Siemens zur Übernahme des 17.000-Mann-Konzerns laufen, meint Claus Raidl:
"Da hat der Bundeskanzler im Parlament den Vorstand der ÖIAG aufgefordert, bei der bevorstehenden Kapitalerhöhung mitzuziehen und so den Anteil von 15 Prozent an der VA Tech zu verteidigen. Jetzt ist zwar die ÖIAG zu hundert Prozent im Besitz des Staates, aber die Aussage des Kanzlers hat keinerlei Rechtsverbindlichkeit. Denn der Kanzler ist nicht Eigentümervertreter, das ist der Finanzminister. Und auch der kann - als personifizierte Hauptversammlung - dem Vorstand keine Weisung erteilen. Ob der Vorstand der ÖIAG bei der Kapitalerhöhung einer ÖIAG-Beteiligung, also der VA Tech, mitzieht oder nicht, liegt ausschließlich in seiner Verantwortung."
Politische Zurufe ignorieren
"Wenn Vorstände und Geschäftsführer auf politische Zurufe reagieren, und es geht was schief, so sind immer die Manager verantwortlich," unterstreicht Claus Raidl, der diesbezüglich selbst bittere Erfahrungen gemacht hat: Er war beim so genannten "Noricum-Skandal" wegen Neutralitätsgefährdung angeklagt, wurde zwar freigesprochen, meint aber heute:
"Von den illegalen Lieferungen von Kanonen an den Iran und den Irak in den 80er Jahren hat die Politik sehr wohl gewusst. Wahrscheinlich waren die Lieferungen auch gewollt. Aber: Die Verantwortung hatten die Manager zu tragen."
Claus Raidls Lehre daraus: "Wenn Politiker ein 'unsittliches' Ansinnen haben: Nein sagen und lieber zurücktreten, als vor dem Richter landen!"
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