Von Wind und Wellen gefangen

05. Von der Jolle zur Hochsee

Ich hätte nicht mit dem Jollen-Segeln anfangen sollen! Aber es war nur konsequent. Immerhin lebte ich damals mitten in Niedersachsen, und wenn ich meine Vision von einem freundlichen Ruhestand auf dem Meer Wirklichkeit werden lassen wollte ...

Die Gelegenheit war günstig, ein kleiner See zum Trainieren ganz in der Nähe - wie sich das anhört: ein kleiner See. Aber ich schwör es Euch, Leute, dieser kleine See hatte es in sich! Die Winde waren launisch und sprangen dauernd um, also nix wars mit hinein ins Boot, Segelstellung fixieren und ab ins Reich der Träume. HA!

Anfang der Saison buchte ich den Segelkurs, zum letztmöglichen Termin machte ich die Prüfung. Es war ein guter Sommer, ich kam mit mir und der niedersächsischen Welt ins Reine und beschloss, wieder nach Wien zu ziehen. Und mich konsequenterweise - und um meine Vision ein Stück realer werden zu lassen - mit dem nächsten Schritt in Sachen Segeltechnik zu beschäftigen.

Erste Suchtanzeichen

Der Umgang mit Rennjollen, Spinnaker und Trapez war genau das, was ich mir unter einer sinnvollen Sommerbeschäftigung vorgestellt habe. Der Schock des ersten Blicks in den 470er - diese Unmenge von Schnüren! und kaum Platz, um die Füße irgendwo unterzubringen - wurde zur reinen Freude. Jetzt war es wirklich so, dass jede minimale Gewichtsverlagerung das Boot in seinem Segelverhalten beeinflusste.

Meine Partnerin und ich hatten es schnell raus, wie wir die andern alle abhängen konnten. Es war großartig - und wir waren dauernd in Bewegung. Der ganze Körper ein einziger Muskelkater. Aber der Lohn! Die blendend weißen Segel, der regenbogenfarbene Spinacker, dieses Geräusch, mit dem der Bug das Wasser zerschneidet, die einzelnen Wassertropfen, die der Wind auf die Haut sprüht und die Sonne aufsaugt - und das Beste von allem: das Fliegen im Trapez.

Vollkommenes Glück

Es hat etwas von vollkommenem Glück: im pfeifenden Wind bloß an ein paar Schnüren hängend in vollkommenem Vertrauen auf den Steuermann - der bei mir übrigens immer eine "Steuerfrau" gewesen ist - den Wind, das Segel, die eigene Körperbeherrschung so weit auszureizen, dass das eigene Boot das schnellste ist, den steilsten Kurs segeln kann, optimal getrimmt ist.

Und dann noch die Regatta mit winzigem Vorsprung gewinnen. Das ist es. Dafür lohnt sich's!

Schicksalhafte Begegnung

Der folgende Winter galt dem nächsthöheren Segelschein. Und dann lernte ich meinen Mann kennen. Als Crew-Mitglied einer deutschen Regattajacht hatte er vom Einfach-Nur-Schnell-Segeln die Nase voll, und vom Herumdüsen in einer Rennjolle auf einem (immerhin oberösterreichischen!) See hielt er auch nicht besonders viel: er ist nach hunderten Hochseeregatten zum leidenschaftlichen Fahrtensegler geworden.

Da war sie, meine Vision!

Doch: nach vielen wunderbaren Fahrten samt mehreren nicht allzu heftigen Stürmen, die mir dennoch einen Heidenrespekt aufgezwungen haben, wurde sie kleiner, und kleiner, und verwandelte sich allmählich in ein Bild vom friedlichen Landleben inmitten von Himbeeren und Rosen samt pflichtbewussten Mäusejägern und einem guten Schluck Wein in der Abendsonne ...

Aber manchmal, wenn ich zufällig eine breite Front Spi-bewehrter Regattaboote erspähe, dann juckt es mich, wieder mitzudüsen ...

Friederike C. Raderer ist Autorin und hat ihre erste Sendung für den ORF 1979 gemacht. Segeln hat für sie etwas von vollkommenem Glück. Außerdem liebt sie Musik, würde ohne Bücher verhungern, findet (und erfindet) gerne Geschichten, muss wenigstens einmal im Jahr an die Nordsee und ans Mittelmeer, genießt guten Wein samt gutem Essen, kocht gerne - und nicht schlecht (laut Aussagen derer, die's essen müssen) - und lebt mit ihrem Mann, zwei Katzen, 12 Goldfischen und einer Menge Rosen und Himbeersträucher auf dem Land.

Links
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