Die Bauern als Zahlmeister in der WTO?
Freier Welthandel
Gibt es künftig weniger Schutz für unsere Bauern als Preis für einen freieren Welthandel? Die WTO hat in Genf u. a. die Abschaffung der Exportbeihilfen für Agrarprodukte beschlossen, die eine weitere Liberalisierung des Welthandels möglich machen.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt der Studiodiskussion mit Agrarexperten
Nach fünftägigem zähen Ringen hat die Welthandelsorganisation WTO in Genf die Weichen für eine weitere Liberalisierung der Weltwirtschaft gestellt. Die 147 WTO-Mitgliedsländer billigten ein Rahmenabkommen, das den Fahrplan für weitere Verhandlungen festlegt. Besonders wichtig dabei: die Abschaffung der Exportbeihilfen für Agrarprodukte. Sie waren bisher der Stolperstein auch für andere Handelserleichterungen.
Weniger Schutz für unsere Bauern als Preis für einen freieren Welthandel? "Saldo" beschäftigt sich in einer Studiodiskussion mit den Auswirkungen. Studiogäste von Hans Vockenhuber sind August Astl, Generalsekretär der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern, Wolfgang Pirklhuber, Agrarsprecher der Grünen und Susanne Schrott von der Außenhandelsabteilung der Wirtschaftskammer.
Fünf Agrar-Handelsmächte ebneten Weg
Anders als beim Scheitern der Ministerkonferenz im Vorjahr in Cancun, wo sich reiche und arme Länder am Ende feindselig gegenüberstanden, hat in Genf eine Gruppe von fünf Agrar-Handelsmächten mit unterschiedlichen Interessen den Weg zur Einigung geebnet.
Die USA, die EU, Australien, Brasilien und Indien hatten ein Kompromisspapier erarbeitet, dass als Grundlage für den Konsens diente. Diese Vereinbarung muss jetzt noch mit Leben erfüllt werden. Ab September sollen die schwierigen Detailverhandlungen etwa über Prozentsätze und Mengen beginnen.
Die WTO
Die Welthandelsorganisation WTO entstand 1995 aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen GATT. Hauptziel der UNO-Sonderorganisation mit Sitz in Genf ist die Schaffung eines freien Welthandels durch den Abbau von Zöllen und sonstigen Handelshemmnissen. Zugleich legt die WTO Regeln für den internationalen Austausch von Waren- und Dienstleistungen fest. Beschlüsse der Organisation wie jetzt in Genf müssen einstimmig von allen der derzeit 147 Mitgliedsstaaten gefällt werden.
Die Grundsätze
Jedes Mitglied verpflichtet sich nach den WTO-Statuten, die Handelsvergünstigungen, die es einem Land gewährt, auch allen anderen einzuräumen. Ausnahmen sind für regionale Handelsbündnisse wie die Europäische Union oder den südamerikanischen Mercosur zulässig. Einzelne Länder können in engen Grenzen zudem Strafzölle auf Produkte aus anderen Staaten verhängen, wenn diesen unfaire Praktiken nachgewiesen werden können.
Die Handelsrunden
Handelshemmnisse werden in so genannten Weltrunden abgebaut. Unter dem 1947 ins Leben gerufenen GATT gab es insgesamt acht mehrjährige Verhandlungszyklen. Begonnen hatte alles mit der Havanna-Runde 1947. Die damals 23 Unterzeichner vereinbarten 45.000 Zollsenkungen. Zölle standen auch in den kommenden GATT-Runden im Mittelpunkt. Mit der Kennedy-Runde (1964 - 1967) kamen andere Handelsbarrieren wie unterschiedliche technische Standards hinzu. Daneben bestimmten vor allem Regeln gegen Dumping fortan wesentlich die Verhandlungen. Zuletzt abgeschlossen wurde die Uruguay-Runde (1986 - 1994), deren Vereinbarungen 22.500 Seiten füllen. Sie sind bis heute nicht vollständig umgesetzt.
Milleniumsrunde verschoben
Eigentlich wollten die WTO-Mitglieder schon 1999 in Seattle die nächste, so genannte Millenniumsrunde einläuten. Dies scheiterte aber am Streit über Agrarsubventionen sowie an der Forderung vieler Entwicklungsstaaten, zunächst die Versprechen aus der Uruguay-Runde einzulösen.
Erst im November 2001 wurde in Doha im Golfstaat Katar die jetzt laufende Handelsrunde beschlossen. Sie soll nun besonders die Belange der Entwicklungsländer berücksichtigen. Ursprünglich sollte sie bis zum 1. Jänner 2005 abgeschlossen werden. In Genf wurde dies nun auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die bisherigen Auswirkungen
Die GATT-Runden von Havanna bis Uruguay senkten die durchschnittlichen Zölle zwischen den Teilnehmerstaaten von ursprünglich 45 Prozent auf drei bis vier Prozent. Dies trug nach Einschätzung der WTO wesentlich dazu dabei, dass der Welthandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts um jährlich durchschnittlich sechs Prozent zunahm.
Links
WTO - World Trade Organization
Landwirtschaftskammern Österreichs
Die Grünen Österreichs
Wirtschaftskammer Österreich