Überall Gerechtigkeit
Gerechtigkeit
Jeder macht Erfahrungen mit Gerechtigkeit. Man fühlt sich ungerecht behandelt und trifft selbst ständig ungerechte Entscheidungen. Auch im Alltag taucht der Begriff immer wieder auf: Vom gerechten Krieg bis zur Steuergerechtigkeit.
8. April 2017, 21:58
Ursprünglich bedeutete Gerechtigkeit lediglich die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht. Im Laufe der Zeit erhielt der Begriff aber eine immer stärkere moralische Bedeutung. Er wird auf soziale Ordnungen oder internationale Beziehungen angewandt.
Gemeinsam haben alle diese Beziehungen, dass sie mit der Verteilung von Gütern und Lasten zu tun haben, um die Konflikt bestehen.
Gerechte Normen und gerechtes Handeln
Normen und Institutionen wie der Staat spielen eine große Rolle, wenn es um die Behebung von Ungerechtigkeiten geht. So schuf die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen 1948 ein globales Bewusstsein für die Garantie der Rechte jedes einzelnen Bürgers.
Damit war das Problem von Menschenrechtsverletzungen jedoch nicht gelöst, denn es reicht nicht aus, dass es gerechte Normen gibt. Eine gerechte Gesellschaft beruht auch auf der Einhaltung dieser Normen, auf gerechten Handlungen.
Im alltäglichen Handeln stehen die Menschen immer wieder vor Entscheidungen, wie sie ihre allgemeinen moralischen Prinzipien mit den persönlichen Verantwortungen in Einklang bringen.
Gerechtigkeit und Gleichheit
Eng verbunden mit dem Streben nach Gerechtigkeit ist die Frage der Gleichheit. "Gleiche Fälle sind gleich zu behandeln", heißt es vor Gericht. Unparteilichkeit gilt als oberstes Gebot. Ein Schutz vor Willkür ist das Ziel einer gerechten Justiz. Doch schon Aristoteles schränkte die Gleichheit ein, indem er forderte, Gleiche gleich und Ungleiche ungleich zu behandeln.
John Rawls publizierte 1971 eine "Theorie der Gerechtigkeit" und legte darin zwei Grundsätze fest: 1. Jeder hat die gleichen Grundfreiheiten. 2. Soziale wie wirtschaftliche Ungleichheiten müssen so beschaffen sein, dass sie den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil bringen.
Dieser zweite Grundsatz legitimiert so genannte "affirmative actions": Bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten sollen behoben werden, auch wenn dadurch dem Einzelnen persönliche Ungerechtigkeiten widerfahren.
Geschlechtergerechtigkeit und Generationengerechtigkeit
Für Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Rechte und Möglichkeiten von Männern und Frauen sorgt vor allem die falsche Annahme, dass sich aus biologischen Gegebenheiten Normen wie die Verantwortung der Frau für die Kindererziehung ableiten lassen ("naturalistischer Fehlschluss").
Der Begriff der Generationengerechtigkeit stammt ursprünglich aus der Ökologie. Eine Generation verbraucht die natürlichen Ressourcen der nächsten, lautet der Vorwurf der Ungerechtigkeit.
Heute wird dieser Begriff auf aktuelle Probleme der Verteilungsgerechtigkeit angewendet. Da die Versorgung der Pensionisten durch sinkende Geburtenraten und mangelnde Erwerbsmöglichkeiten der Jüngeren kaum mehr zu finanzieren ist, entstehen Auseinandersetzungen zwischen den Generationen über jeweils "gerechte" Reformen im Sozialsystem.
Soziale und globale Gerechtigkeit
Soziale Gerechtigkeit, die in der Diskussion über Altersversorgung oder Arbeitslosigkeit zum Ausdruck kommt, wurde erst im 19. Jahrhundert zum Schlagwort und ist ein Reflex auf die Auswirkungen der Industriellen Revolution. Nun wurden - anders als im Liberalismus - auch wirtschaftliche Verhältnisse als rechtfertigungsbedürftig gesehen.
Globale Gerechtigkeit ist spätestens durch die so genannte Globalisierung zu einem wichtigen Thema geworden. Der Welthandel, das internationale Kreditsystem, aber auch die internationale Ordnung und die Kooperation der Staaten innerhalb der Vereinten Nationen können nach Prinzipien der Gerechtigkeit geordnet werden.
Buch-Tipps
Otfried Höffe, "Gerechtigkeit", C.H. Beck, ISBN 3406447686´
Wolfgang Kersting (Hg.), "Gerechtigkeit als Tausch?", Suhrkamp, ISBN 3518288970
Wolfgang Kersting, "Theorien der sozialen Gerechtigkeit", Metzler, ISBN 3476017524
Peter Koller, "Gerechtigkeit im politischen Diskurs der Gegenwart", Passagen Verlag, ISBN 3851655095
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Österreichische Gesellschaft für Philosophie