Musik ist ihr Leben
Die Bauls
Hört man die indischen Bauls ganze Nächte hindurch singen, erhält man eine Ahnung von ihrer tiefen spirituellen Verwurzelung und reichen mystischen Tradition, die sich zu wichtigen Strömungen des Hinduismus, Buddhismus und Islam zurückverfolgen lässt.
8. April 2017, 21:58
Mit Einbruch der Dämmerung begann die Musik, zunächst ruhig und leise, im Laufe des Abends immer schneller und wilder. Es war, als ob die Musiker in ihrem Inneren eine unerschöpfliche Quelle entdeckt hätten, aus der unablässig Musik strömte, immer neue und neue Lieder. Am nächsten Morgen erfuhr ich, dass die Musiker Bauls waren.
Ihr Gottesdienst ist Gesang
Die Bauls bilden eine religiöse Gemeinschaft und leben in West-Bengalen und Bangladesch. Nach außen treten die Männer und Frauen mit ihren leuchtenden Gewändern und langem, zu einem Knoten gebundenen Haar durch ihre Musik und ihren Tanz in Erscheinung.
Bauls können aus Hindu- oder aus Moslem-Familien stammen. Wenn sich ein Mensch zum Baul-Weg hingezogen fühlt, spielen Herkunft und Religion keine Rolle. Die Bauls haben weder Tempel noch heilige Schriften und sie lehnen jede Art von Dogmen ab. Ihr Gottesdienst besteht in ihrem Gesang, in den zahllosen Liedern, in welchen sich alle Erfahrungen des spirituellen Weges widerspiegeln, in ihrer Musik, ihrem Tanz und ihrer universellen Liebe.
Wandern und singen
Neben der Musik pflegen die Bauls noch eine geheime psycho-yogische Praxis. Unter Anleitung eines Gurus praktizieren Männer und Frauen paarweise tantrische Übungen. Allerdings gibt es nur noch wenige unter den Bauls, die diese Tradition leben. Und diejenigen, die das Glück gehabt haben, einen entsprechenden Guru zu finden, sprechen Außenstehenden gegenüber nicht über ihre Praxis.
Für die Menschen in den bengalischen Dörfern sind die Bauls umherwandernde religiöse Sänger. Sie schätzen und achten die Traditionen der Bauls und hören ihnen gerne zu. Einige Bauls, wie z. B. Purna Das Baul, haben es durch ihre hohe Musikalität geschafft, in ganz Indien anerkannte Sänger zu werden. Sie füllen mit ihrem Publikum große Konzertsäle und verdienen mit ihren Kassetten und CDs viel Geld.
Hör-Tipp
Hörbilder, Samstag, 26. Mai 2007, 9:05 Uhr