Der Begriff "horror vacui"

Über die Existenz des Nichts

Durch die Denkmodelle der alten Griechen kam die Angst vor dem Nichts, vor der Leere, in die Welt. Der alte Streit, ob das Nichts tatsächlich existiert, ist bis heute nicht wirklich entschieden. Und auch in der Kunst ist der Terminus "horror vacui" zu finden.

Die Angst vor dem Nichts, vor der Leere, kam über die physikalischen Denkmodelle der alten Griechen in die Welt. Und der alte Streit, ob diese Angst begründet ist, also ob es das Nichts, die absolute Leere in der physischen Welt gibt, ist eigentlich bis heute nicht entschieden. Der "horror vacui" wurde aber zu einem Begriff, der auch auf ganz andere Bereiche angewendet wird.

Architektur und Malerei

Bekannt ist dieser Begriff in der Architektur und in der Malerei. Und ich bin überzeugt, dass er auch in dem Zusammenhang von Hören und der menschlichen Psyche eine ganz bedeutende Rolle spielt.

Zwei Denkschulen

Bei den altgriechischen Philosophen und Welt-Erklärern gab es grob gesprochen zwei Parteien. Demokrit, Leukipp und auch Epikur zählten zu den Atomisten. Sie schieden die Welt in Atome und leeren Raum, in dem sich die unteilbaren Partikel ungehemmt bewegen konnten. Empedokles, Parmenides und dann besonders Aristoteles lehnten die Existenz des Leeren ab. Leere könne, ja dürfe es nicht geben, sagte besonders Aristoteles: die Natur macht nichts vergeblich. Von daher rührt der "horror vacui".

Aristoteles, die unanfechtbare Autorität

Und weil Aristoteles für fast 2000 Jahre als unanfechtbare Autorität in allen Fragen des Weltbildes inthronisiert wurde, konnte sich diese Sicht ungebremst ausbreiten. Denn auch die Kirche hielt an diesem Bild fest, erklärte alles andere für Ketzerei. Wir kennen die Probleme, die Forscher wie Kopernikus, Galilei und Kepler bekamen, als sie ein neues Weltbild mit den Methoden der Wissenschaft ausbreiteten.

Torricelli, der Vater des Gegenbeweises

Im Jahr 1608 kam dann jener Mensch zur Welt, der dem "horror vacui" den "horror" nehmen sollte: Galileis Schüler Evangelista Torricelli. Und im selben Jahr schrieb Claudio Montiverdi seine grandiose Klage der Ariadne.

Monteverdis Todesjahr und ein folgenreicher Versuch

In Claudio Monteverdis Todesjahr, nämlich 1643, führte Torricelli folgenden Versuch durch: Er füllte eine einseitig verschlossene Glasröhre randvoll mit Quecksilber. Als er das Glasrohr, mit dem offenen Ende nach unten, in eine mit dem gleichen Metall gefüllte Schale stellte, sackte die silbrige Säule ein Stück ab.

"Torricellische Leere"

Egal, welche Länge er für das Rohr wählte, das flüssige Metall pendelte sich immer auf einer Höhe von etwa 760 Millimetern ein. Oberhalb des Quecksilberspiegels befand sich nichts als freier Raum: Das erste experimentell erzeugte Vakuum war entstanden, die sogenannte "Torricellische Leere".

Neue Diskussion um das "Nichts"

Die alte Diskussion um das "Nichts" entbrannte erneut: "Wenn es irgendwo ein Vakuum gibt, dann nur in Torricellis Kopf", schimpfte der französische Philosoph René Descartes. Das war aber wohl nicht in derselben Stunde, in der er sein "Cogito, ergo sum" niedergeschrieben hatte ...