Die neue Qualität der amerikanischen Weltmacht
Empire Amerika
Der Vergleich der modernen Supermacht USA mit der antiken Supermacht Rom drängt sich auf und wird auch häufig bemüht, doch inwiefern trifft er auch zu? Sind die USA wirklich eines? Auf diese Fragen gibt eine Reihe von hochkarätigen Autoren Antwort.
8. April 2017, 21:58
Der Titel "Empire Amerika" weckt weniger Assoziationen an Rom als an das britische Empire, das im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Welt beherrschte. Und in der Tat zählt zu den im Buch vertretenen Autoren auch Niall Ferguson, der im Vorjahr ein viel beachtetes Werk zum Thema mit dem Titel "Empire: The Rise and Demise of the British World Order and the Lessons for Global Power" vorgelegt hat.
Doch bereits im ersten Beitrag von "Empire Amerika" wird die historische Beispiellosigkeit und die neue Qualität der amerikanischen Weltmacht herausgearbeitet, und zwar von dem auf Menschenrechte spezialisierten Harvard-Professor Michael Ignatieff:
Das Imperium des 21. Jahrhunderts ist ein Neuankömmling in den Annalen der politischen Wissenschaft. Es ist ein "Empire lite" - eine globale Hegemonie, deren Merkmale freie Märkte, Menschenrechte und Demokratie sind, durchgesetzt mit Hilfe der abschreckendsten Militärmacht, die es jemals gegeben hat. Es ist der Imperialismus eines Volkes, dem immer vor Augen steht, dass es die Unabhängigkeit seines Landes erwarb, indem es gegen ein Empire revoltierte. Es ist ein Empire, das sich nicht als solches begreift - und das wieder und wieder erschüttert darüber ist, dass seine guten Absichten andernorts auf Abwehr stoßen.
Abkehr vom Multilateralismus und Internationalismus
In mehreren Beiträgen wird die Entwicklung der USA zum Empire nachgezeichnet, die lange vor dem September 2001 begann. Dabei wird so mancher Mythos korrigiert. So weist etwa Max Boot, Dozent für Sicherheitsfragen beim Rat für auswärtige Beziehungen in New York darauf hin, dass die USA ihren traditionellen Isolationismus nicht erst mit dem Eintritt in den Ersten bzw. Zweiten Weltkrieg aufgaben; und Ulrich Beck ruft in Erinnerung, dass die Abkehr der USA von Multilateralismus und Internationalismus bereits vor dem Irak-Krieg etwa durch die Nichtunterzeichnung des Kyoto-Protokolls und die Aufkündigung anderer internationaler Verträge begann.
Natürlich ist es richtig, dass diese Verträge auch die Stricke bilden, mit denen die Liliputaner Gulliver zu fesseln suchen. Und die Bush-Regierung zerbrach diese Fesseln, um sich von der Zustimmung der anderen zu befreien. Genau das verletzt zutiefst das europäische Selbstbewusstsein, das mit dem Empire des Rechts, der Kooperation und des Konsenses herangewachsen ist.
Imperium jenseits von Imperialismus
Im intellektuellen Diskurs der letzten Jahre nimmt der Begriff "Empire" eine Schlüsselrolle ein. Zurückführen lässt sich das auf das gleichnamige Buch von Michael Hardt und Antonio Negri, in dem versucht wird, die Idee des Imperiums jenseits von Imperialismus und traditioneller Machtpolitik neu zu denken und den Begriff "Empire" im Zeichen der Globalisierung positiv, das heißt: mit linken Inhalten zu besetzen.
Der Denkansatz von Hardt und Negri findet sein Echo auch bei manchen Autoren von "Empire Amerika", allen voran bei Samantha Power, die ihrem Text den programmatischen Tiitel "Das Empire der Menschenrechte" gegeben hat. Nicht unähnlich formuliert auch Richard Rorty seinen Standpunkt:
Solange die Vereinten Nationen sich nicht in das verwandelt haben, was Tennyson als "Parlament der Menschheit" bezeichnete, wird es die Aufgabe von einzelnen demokratischen Staaten und Koalitionen sein, Tyrannen zu stürzen.
Pax Americana
In Zukunft, so Rorty weiter, könnten bei der militärischen Durchsetzung von universalen Werten wie Menschenrechten durchaus auch andere Staaten und Staatenbünde, allen voran die Europäische Union, federführend sein.
Doch im jüngsten Fall hat das bedeutet, dass es die Aufgabe der Vereinigten Staaten war. (...) In der gegenwärtigen Lage ist eine Pax Americana das beste, worauf die Welt hoffen kann.
Auseinandersetzung mit der Idee des "Empire"
Das Buch "Empire Amerika" besticht durch die kluge Auswahl der Autoren, die das Thema von unterschiedlichsten Perspektiven aus und auf durchwegs sehr hohem Niveau diskutieren. Positiv fällt auch auf, dass sich viele der Beiträge nicht auf eine reine Bestandsaufnahme der aktuellen weltpolitischen Situation beschränken, sondern sich mit der Idee des "Empire" auch grundlegend auseinandersetzen und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen.
"Empire Amerika. Perspektiven einer neuen Weltordnung", herausgegeben von Ulrich Speck und Natan Sznaider, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2003, ISBN 3421057982