Pinky und Brain

Weltherrschaft

Wieder Mittwoch. Weichinger, der unermüdliche Ö1 Redakteur, und Kastberger, der aufgeweckte Literaturdozent, gehen wieder spazieren. Zweiterer wittert überall Geheimniskrämerei, ohne Geheimbund sei man nichts, meint er, und hat dazu eine Idee.

Wieder Mittwoch. Eine weitere Runde entlang des Schreiberbachs, hinauf zum Heurigen S. und nach einer kleinen Verweildauer bei Liptauer und Spritzer hinunter nach Nussdorf.

"Weißt Du, Weichinger, wenn mich nicht alles täuscht, sind Geheimbünde wieder en vogue", so Kastberger, der mich stets aufs Neue überraschende Literaturdozent. "Schau Dich nur um, ist doch klar wie das läuft, alles ausgepackelt, eine einzige, große Freunderlwirtschaft wohin man auch blickt", so Kastberger, dem beim Wort Freunderlwirtschaft doch glatt ein Spucker aus dem Mund schoss und an einem der Weinstöcke entlang des Weges hängen blieb. Ich registrierte das genau. Kastberger, der unverwundbare Literaturdozent, hatte dergleichen nicht bemerkt, ihm ging Größeres durch den Kopf.

"Ich als Gmundner kann natürlich nicht mit dem Absolventenverein einer Eliteschule wie den Schotten aufwarten", ätzte Kastberger, der sonst so gelassene Literaturdozent. "Kartellbrüder gibt's zwar in Gmunden, aber fürs Gaudeamus-igitur-Singen fehlt mir jeglicher Sinn. Alt-Heidelberger-Romantik, igitt," so Kastberger. Beim Wörtchen "igitt" schoss ihm erneut ein Speichelklümpchen aus dem Mund. Diesmal landete es auf meinem rechten Schuh. Ich trat an den Wegrand und putzte im spärlichen Grün den Speichel ab, während Kastberger unbeirrt voran stapfte. "Trödel nicht herum, Weichinger, ich bin durstig", bellte Kastberger, der forsche Literaturdozent.

"Und so Vereinigungen wie die Illuminaten, die gibt's heutzutage halt auch nur bei Dan Brown. Die waren eine Erscheinung des späten 18. Jahrhunderts. Man sagt, dass deren System aus Decknamen und äußerster Geheimhaltung von der Mafia kopiert wurde", so Kastberger, der bei seinen letzten Worten ein wie mir schien konspiratives Lächeln aufsetzte.

"Der amerikanische Präsident", erwiderte ich nun, "hat als Student in Yale Zugang zu einer ganz merkwürdigen Gruppe gefunden, einem gewissen Totenkopf-Orden, das Vereinslokal heißt Gruft."

"Interessant, Weichinger, ich bin während meiner Studentenzeit mit ein paar erträglichen Typen die meiste Zeit im Kaffeehaus herumgesessen und habe über Doderers Sadismen in den Merowingern doziert", so Kastberger, der leicht desillusionierte Literaturdozent. Nach dem letzten Wort spuckte er diesmal absichtlich und kräftig aus. Kastberger blieb kurz stehen, packte mich am Arm. "In Wahrheit geht immer noch nichts ohne die freien Maurer. Doch um dort Mitglied zu werden, muss man schon wer sein", so Kastberger. "Wenn man sich das antun will", ergänzte ich, "schließlich haben die meisten diskreten Gesellschaften etwas merkwürdige Riten."

Der Heurige S. war erreicht, und wir kehrten ein. Zu unserer Überraschung wurden wie diesmal nicht von der uns bestens bekannten Heurigenfee "Rosi" bedient, sondern von einem kräftigen Kerl, an dessen entblößten Unterarmen eine Tätowierung auffiel. Auf unsere Frage, wo Rosi sei, erhielten wir nur die kurze Antwort, dass Rosi weg sei. Ob das "weg" bedeutete, dass sie nur vorübergehend abwesend sei oder gar für immer weg ist, weil sie - worst case - gekündigt worden wäre, konnten wir aus dem sehr verschlossen wirkenden Rosi-Ersatz nicht heraus bringen.

"Sogar hier, Weichinger," zischelte Kastberger. "Selbst als Heurigenkellner bist du heute chancenlos, wenn Du nicht 'dabei' bist. Das Drachenkopf-Zeichen auf dem Unterarm beweist es." - "Du übertreibst, Kastberger", erwiderte ich. "Unsere Welt wird nicht von sinistren Mächten beherrscht."

Wir tranken, schwiegen eine Weile, tranken wieder. Schließlich entspannten sich die Züge von Kastberger, er hatte eine Idee: "Wir beide sind ab heute auch ein Geheimbund. Nichts von dem, was wir besprechen, darf nach außen dringen, absolut nichts. Unsere Decknamen lauten Pinky und Brain. Du bist Ersterer. Und ab morgen geht's nur noch um eins." Kastberger machte eine Pause, breitete die Arme aus und strahlte. Meinen amüsierten Labormaus-Blick interpretierte er als Frage und mit einer Stimme, die an Orson Welles erinnerte, donnerte er: "Um die Weltherrschaft natürlich!"

An seinem linken Mundwinkel hing ein Speichelfaden.

Mehr zu Doderers "Merowinger" in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Heiner Boberski, Peter Gnaiger, Martin Haidinger, Thomas Schaller, Robert Weichinger, "Mächtig, männlich, mysteriös - Geheimbünde in Österreich", Ecowin Verlag der Topakademie, ISBN 3902404167

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Link
Wikipedia - Pinky & Brain