"Concentus Musicus" unter Nikolaus Harnoncourt

Mozarts Klangrede

Es ist schon lange her, dass man sie als Besserwisser belächelt hat: Der "Concentus musicus" und sein längst international gefragter Leiter Nikolaus Harnoncourt. Bis heute beweisen sie, warum Alte Musik aufregend sein kann.

Einst als "Spinner" und "Besserwisser" belächelt und von Wiener Kollegen als "Kamplzupfer" verunglimpft, ist das "Concentus"-Orchester mittlerweile "Grammy"-gekrönt und sein alleiniger Leiter Harnoncourt zählt zu den gefragtesten Orchesterdirigenten der Welt.

Im März dieses Jahres feierte der "Concentus Musicus", der Musikgeschichte geschrieben hat, seinen 50. Geburtstag. Ö1 überträgt aus dem Großen Musikvereinssaal in Wien ein Konzert mit dem Orchester unter Leitung von Nikolaus Harnoncourt. Mitwirkende sind der Arnold Schoenberg Chor sowie Christine Schäfer (Sopran) Bernarda Fink (Alt), Kurt Streit (Tenor) sowie Gerald Finley (Bass). Auf dem Programm stehen W. A. Mozarts "Grabmusik", KV 42 sowie das "Requiem" in d-Moll, KV 626.

Werke aus Mozarts Anfang und Ende

Wenn man Mozarts gesamtes Lebenswerk betrachtet, so symbolisieren die beiden Stücke des Konzertprogramms in gewisser Weise den Anfang und das Ende eines außergewöhnlichen Weges. Die Thematik beider Werke bezieht sich auf die Grenzen des Lebens:

Vergänglichkeit, Tod, damit verbunden Schmerz, Schuld, Reue und Hoffnung. Beiden Werken ist auch gleich, dass sie in der jeweiligen künstlerischen Entwicklungsphase Mozarts rückblickende und vorausblickende Elemente in sich haben, Traditionelles und Visionäres.

"Sepolcro-Tradition" in Mozarts Zeit

In der "Grabmusik“ knüpft Mozart an die „Sepolcro-Tradition“ seiner Zeit an, die der Liturgie der Verehrung des Heiligen Grabes am Karfreitag und Karsamstag entspricht. Doch der elfjährige Komponist sprengt alle vorgegebenen Normen, verarbeitet Eindrücke, die er der Oper seiner Zeit verdankt.

Doch er geht auch hier über diese Modelle hinaus und nimmt schon manche Höhepunkte seines eigenen späteren Opernschaffens ansatzweise vorweg.

"Requiem" - Tor zur Romantik

Rückblick und Vorausschau kennzeichnen auch das "Requiem", das Mozart am Ende seines Lebens komponiert. Mozart befasst sich intensiv mit der Musik Bachs und Händels, andererseits aber öffnet das Stück bereits das Tor zu einer neuen Epoche, die man "Romantik" genannt hat.

"Im Requiem verlässt Mozart das achtzehnte Jahrhundert", konstatiert Nikolaus Harnoncourt. Und er weist auch auf die vielen ganz individuellen Züge des - eigentlich für die katholische Liturgie geschaffenen - Werkes hin. Auf einer langen Tradition aufbauend, spiegle das "Requiem" Mozarts ganz persönliche Religiosität.

"Concentus" veränderte Musikwelt

Mit seinem "Concentus" hat Harnoncourt die Musikwelt verändert. Dem gingen zunächst folgenreiche Einsichten voraus:

Das als "modern" bezeichnete Instrumentarium, das die großen Symphonieorchester benutzen, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Steht es am Ende einer Entwicklung vom primitiven zum perfekten Instrument wie der Mensch an der Spitze der Primaten?

Musik, die spricht

Die Originalklang-Musiker der ersten Stunde trieben diesen darwinistischen Glauben aus: "Jede Zeit hat genau das Instrumentarium, das ihrer Musik gerecht wird", schreibt Harnoncourt in seinem Klassiker "Musik als Klangrede".

"Die Theorie der Aufwärtsentwicklung ist nicht mehr aufrechtzuerhalten." Auch auf die Musik selbst war ein neuer Blick notwendig: Den Musikern des 17. und 18. Jahrhunderts war klar, dass sie "sprechend" zu musizieren hatten, mit allen Möglichkeiten, die Artikulation und Phrasierung boten.