Kurt Palms James-Joyce-Alphabet von Aal bis Zahl

Der Brechreiz eines Hottentotten

Kurt Palm ist ein glühender Joyce-Bewunderer, das spürt man in jeder Zeile des soeben vorgelegten James-Joyce-Alphabetes. Eineinhalb Jahre lang hat der österreichische Autor, Filmkünstler und Theatermacher an seinem Buch gearbeitet und es hat sich gelohnt.

Eines vorneweg: Kurt Palms Buch ist ein Lesegenuss ersten Ranges, eine kurzweilige und erfrischend schräge Einführung in die Joyce'sche Welt, in den Joyce'schen Literaturkosmos. Palms Buch ist alphabetisch strukturiert - es besteht aus 26 Kapiteln, von A bis Z, von Aal bis Zahl.

Dazu Kurt Palm: "Joyce hat das Alphabet in seinem Werk in verschiedensten Formen immer wieder eingebaut, und Joyce selbst haben die 26 Buchstaben des Alphabets eigentlich immer genügt, um für sich eine neue Welt zu erschaffen."

Der Nimbus des Schwerverständlichen

Kurt Palm geht es nicht zuletzt darum, den "Ulysses", eines der ungelesensten Bücher der Weltliteratur, vom Nimbus des Schwerverständlichen zu befreien. Joyces 1000-seitiges Dublin-Epos über den Alltag des trinkfesten Anzeigenaquisiteurs Leopold Bloom sei vor allem ein hinreißend komisches Buch, findet Palm.

Komisch geht es auch in Palms Buch selbst zu. Ausführlich informiert uns der Autor über Joyces Essvorlieben, über des Dichters Interesse an Defäkationsritualen und seine nicht ganz unperverse sexuelle Schwäche für Blähungen, Darmwinde und vor allem auch für braune Flecken in den Slips seiner Gattin Nora.

Gestörtes Verhältnis zu Frauen

Von kritikloser Joyce-Verehrung ist Kurt Palm weit entfernt. Bei der Lektüre seines Buches wird deutlich: Joyce hatte etwa ausgesprochen merkwürdige Ansichten über Frauen, nicht nur, wenn er betrunken war. Der Dichter neigte dazu, Frauen in klassisch machistischer Manier ausschließlich in Heilige und Huren einzuteilen; im "Ulysses" finden sich mehrere abwertende Passagen über Frauen.

Frage an Kurt Palm: Würde James Joyce heute leben, wie stünden da die Chancen, dass er zum "Pascha des Monats" in der Frauenzeitschrift "Emma" gewählt würde? "Die stünden, glaube ich, sehr gut", meint Kurt Palm. "Es gibt einige Aussagen von Joyce, die auch im Kontext seiner Zeit indiskutabel waren. Das waren sexistische Äußerungen eines Mannes, der in bestimmten Phasen seines Lebens einfach Probleme mit Frauen hatte."

Dublin als Spiegel der Welt

Trotzdem: Über den Schriftsteller Joyce lässt Palm nichts kommen. Die revolutionäre Leistung des "Ulysses"-Autors: dass er die Niederungen des Alltags literaturwürdig gemacht hat. Eine schmutzige, rußige, schäbige Stadt wie Dublin zur Jahrhundertwende wird bei ihm zum Spiegel der Welt.

Auch wenn es ihm darum vermutlich am allerwenigsten geht: Kurt Palm ist ein exzellenter Didaktiker. Wie schon in seinem Stifter-Buch "Suppe, Taube, Spargel, sehr, sehr gut - Essen und Trinken mit Adalbert Stifter", wie schon in diesem vor vier Jahren erschienen Buch gelingt es Palm auch diesmal auf nachgerade virtuose Weise, Leben und Werk eines als schwierig geltenden Schriftstellers lebendig zu machen. Wie würde Leopold Bloom zu Palms Buch sagen? "Famos, ganz, ganz famos!"

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Kurt Palm, "Der Brechreiz eines Hottentotten - Ein James-Joyce-Alphabet von Aal bis Zahl", Löcker-Verlag Wien 2003, ISBN: 3-85409-389-6

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