Der Wunsch, anders zu sein
Verschwende deine Jugend
Regisseur Benjamin Quabeck über die Anfänge der Neuen Deutschen Welle in den 80er Jahren.
8. April 2017, 21:58
Lange bevor die Neue Deutsche Welle in den 80er Jahren zum Massenphänomen wurde, drückte sich der Wunsch nach dem Anderssein - jenseits von Punk - in dieser Musik-Bewegung aus. Allen voran die Gruppe DAF, die in engen Lederkostümen abgenutztes Vokabular aus Heimatfilmen, Kitschromanen oder Nazi-Mythologien zu monotonen Synthesizer-Rhythmen vortrug.
DAF sind die Helden der frühen 80er Jahre im musikalischen Niemandsland der damaligen Bundesrepublik. Für den jungen Sparkassenlehrling Harry Pritzel (Tom Schilling) hat das Leben "plötzlich wieder Sinn". DAF sei Dank.
Traum und Wirklichkeit
Der Film "Verschwende deine Jugend" - ein Filmtitel nach einem DAF-Song - erzählt von diesen Anfängen der Neuen Deutschen Welle, in denen die Richtung noch nicht klar war, dafür die Visionen umso größer ausfielen. Vieles schien möglich, wenn man es sich nur allzu sehr vornahm, so auch von der Kundenberatung im Geldinstitut zum Musikmanager aufzusteigen.
Aus Harry Pritzel wird "Harry Foyer" und aus den Träumen Wirklichkeit. Harry managt die Gruppe "Apollo Schwabing" auf dem Weg zum ultimativen Durchbruch. Wie DAF halt. Doch weil in München - so der Film - so gar nix los ist, greift Harry zur Selbsthilfe: Ein großes Festival im Zirkus Krone muss her. Und DAF als Hauptact. Dann werden auch die Schwabinger ihren Höhenflug antreten. Doch DAF wollen gar nicht mehr auftreten. Dennoch: Harry lässt ihren Auftritt auch ohne Zusage plakatieren.
Hasardeur und Held
Schafft er es oder nicht? Werden DAF kommen? Und wenn nicht, was wird aus Harry? Vordergründig orientiert sich die Dramaturgie des Films an diesen Fragen, dahinter verbergen sich die Suche nach (künstlerischer) Identität in der Musik und privater Orientierung im Leben.
Erste Liebe und erste Schmerzen. Freundschaften, die im Streit zu Bruch gehen und dennoch Versöhnung suchen. Ideale, für die es sich lohnt, ein Hasardeur zu sein und ein Held zu werden. Auch oder gerade weil man sich gegenüber einer Gesellschaft emanzipiert, deren Regeln man nicht akzeptiert.
Zeitgeist wiedergeben
"Verschwende deine Jugend" bietet - einmal mehr im deutschen Gegenwartskino - Skizzen vom Aufwachsen in Deutschland, wobei die Rebellion dem Stillstand einer Epoche und ihrer Ereignislosigkeit gilt. Regisseur Benjamin Quabeck versucht weniger, dokumentarisch exakt zu sein, als mehr das Gefühl des damaligen Zeitgeists wiederzugeben, einer Zeit, in der man Netz-T-Shirts trug und Punk-Frisuren noch als nonkonformistische Zeichen galten.
Erzählung via Off-Kommentar
Rührend zeichnet Quabeck die Naivität des aufstrebenden Möchtegern-Musikmanagers nach, liebenswürdig erscheint die Beharrlichkeit, mit der dieser seine Visionen verfolgt. Welche Lebensentwürfe dahinter stehen könnten und welcher Preis für die Träume gezahlt werden muss, wird allerdings kaum deutlich.
Vom Draufgängertum und jugendlichen Leichtsinn seiner Hauptfigur hat sich Regisseur Quabeck auch ein wenig anstecken lassen. Allzu pathetisch geraten manche Gesten, hölzern wirken die Dialoge, vor allem wenn Robert Stadlober als Ober-Punk der Band "Apollo Schwabing" mit seinem "Manager" im Clinch liegt. Dann vermittelt der Film eher den Eindruck, als hätte die Rebellion doch nur im Kinderzimmer stattgefunden.
Verschwende deine Jugend
Deutschland, 2003
mit: Tom Schilling, Robert Stadlober, Jessica Schwarz
Drehbuch: Ralf Hertwig, Kathrin Richter
Regie: Benjamin Quabeck