Es geht um Druck, nicht Terror
Geheime Unterwanderung
Wird die offizielle Vertretung der Muslime in Österreich von einer konservativen Gruppe dominiert, die ausländischen Geheimorganisationen nahe steht?
8. April 2017, 21:58
Am vehementesten wird der Vorwurf der Unterwanderung durch eine extrem konservative Geheimorganisation von Thomas Schmidinger vorgetragen, Politikwissenschafter und Lehrbeauftragter an der Uni Wien. Der Vorwurf ist alles andere als eine Einzelmeinung, er kursiert in großen Teilen der islamischen Community. Schmidinger ist einer der wenigen, der ihn auch öffentlich formuliert:
Das ganze ist ein politisches Problem, und das fängt nicht erst dort an, wo eine unmittelbare Terrorgefahr besteht, sondern wo zum Beispiel gegen säkulare Muslime Druck ausgeübt wird, oder wo im Religionsunterricht Dinge vermittelt werden, die nicht demokratiekonform sind.
Konkret lautet der Vorwurf, dass ein großer Teil der Führung der Islamischen Glaubensgemeinschaft der Ideologie der Moslembruderschaft nahe stehen soll - einer Geheimorganisation aus Ägypten, die die Errichtung einer islamischen politischen Ordnung plant und aus der viele kämpfende Islamisten-Organsiationen hervorgegangen sind:
Ideologisch sind sie irgendwo im Spektrum zwischen der Moslembruderschaft und dem wahabistischen Islam anzuordnen. Da gibt es informelle Netzwerke, die mit Yusuf al Qaradawi verbunden sind, mit Tariq Ramadan in Europa, aber auch mit der saudischen Botschaft. Der Präsident der Glaubensgemeinschaft arbeitet Vollzeit in der saudischen Botschaft und das geht nur mit einer gewissen politischen Nähe zum saudischen Königshaus.
Eine Differenzierung
Der angesprochene Präsident Anas Shakfeh betont, nicht bei der saudischen Botschaft sondern beim saudischen Kulturinstitut zu arbeiten. Auf seine Arbeit bei der Glaubensgemeinschaft habe das keinen Einfluss.
Das eigentliche Ziel des Angriffes von Schmidinger ist aber der Wiener Landtagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte der Glaubensgemeinschaft Omar Al Rawi. Er sagt:
Ich war nie im Leben Mitglied der Muslimbruderschaft, ich habe mit ihnen nichts am Hut und nichts gemeinsam. Ich habe ihre Ideologie nicht studiert und wüsste daher gar nicht im Detail, wie ich diesen Vorwurf entkräften könnte. Aber das ist dieses typische Kasteldenken, diese Schwarz-Weiß-Malerei, dass Menschen in diese Kategorien geteilt werden.
Der mühsame Gang durch die Gerichte
Thomas Schmidinger würde gerne offiziell klären lassen, wie nahe die Führung der Glaubengemeinschaft der Ideologie der Muslimbruderschaft steht. Eine Klage gegen ihn sei mehrmals angekündigt worden, und er würde sich freuen, diesen Streit vor Gericht auszutragen.
Eine solche politische Klage sei sinnlos, meint dagegen Omar Al Rawi. Das beweise die Klage, die er gegen BZÖ-Obmann Peter Westenthaler eingebracht hat.
Westenthaler hatte Al Rawi im letzten Wahlkampf aufgrund eines gefälschten Briefes vorgeworfen, Gipfelkreuze durch Gipfel-Halbmonde ersetzen zu wollen. Inhaltlich sei bei dieser Klage alles völlig klar, vor Gericht komme sie aber nicht von der Stelle, sagt Al-Rawi.
Fragwürdiges Schulbuch
Dass der Vorwurf, der Muslimbruderschaft nahe zu stehen, nicht einfach aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich an einem Buch.
Die wichtigste Aufgabe der islamischen Glaubensgemeinschaft ist die inhaltliche und organisatorische Durchführung des islamischen Religionsunterrichtes an den Öffentlichen Schulen, die Lehrer und Schulbücher werden von der Republik Österreich bezahlt.
Acht Jahre lang wurde so das Buch "Erlaubtes und Verbotenes im Islam" von Yusuf Al Qaradawi bestellt und im Unterricht verwendet. Der Inhalt hat es in sich: Kein weltlicher Gesetzgeber dürfe sich über das Gesetz Allahs, die Scharia, stellen. Frauen haben weniger Rechte als Männer. Und wer vom Islam abfällt, darf mit dem Tod bestraft werden.
Acht Jahre lang ist dieses Buch im islamischen Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen verwendet worden. Dann, so die Auskunft von Präsident Shakfeh, hat es die Glaubensgemeinschaft aus eigenem Antrieb nicht mehr bestellt.
Die Auskunft aus dem Unterrichtsministerium lautet anders: Hätte die Glaubensgemeinschaft das Buch nicht von sich aus zurückgezogen, hätte das Ministerium die Verwendung des Buches per Bescheid untersagt.
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