Erschütternde Affektwechsel

"Ich bin die Musik"

Die Zeit um 1600 ist eine Periode des Umbruchs in der Musik. Monteverdi und seine Kollegen warfen alle Regeln des traditionellen Notensetzens über Bord. Im "Orfeo" gelingt es Monteverdi mit geringsten Mitteln, bewegende Affektwechsel zu erzeugen.

400 Jahre sind es her, als durch Mitglieder der "Accademia degli invaghiti" in Mantua zum ersten Mal die Favola in Musica "L'Orfeo" aufgeführt wurde. Nach längerer "Schwangerschaft" - beginnend mit den Versuchen der berühmten "Camerata fiorentina" und Jacopo Peris "Euridice" - hatte somit die erste wahre Oper das Licht der Welt erblickt.

Die Gonzagas in Mantua waren so stolz auf diese euphorisch aufgenommene Produktion, dass die Partitur noch im gleichen Jahr gedruckt wurde. Eine Seltenheit in der damaligen Zeit, wegen der kostspieligen und zeitaufwändigen Herstellung.

Instrumentalbegleitung genau festgelegt

Mit "L'Orfeo" schuf der Hofkapellmeister Monteverdi keinen unausgereiften Prototypen, sondern ein einzigartiges Kunstwerk. Unübertroffen in der Synthese von Wort und Musik, gelingt es hier, ein ganzes Meer von Emotionen zu erzeugen. Wie kein anderer Komponist seiner Zeit schreibt Monteverdi auch die Aufführung bis ins kleinste Detail vor, legt die Instrumente zur Begleitung der Singstimmen individuell fest.

Das geht so weit, dass der Maestro neben der schlichten Version auch eine virtuos verzierte Fassung der Aria "Possente spirto" Orfeos abdrucken lässt. Quasi auf Nummer sicher gehend, denn mit dieser Aria soll es dem göttlichen Sänger gelingen, den Fährmann Charon zur Überfahrt ins Schattenreich zu überreden. Zur Verstärkung des Ausdrucks wirken in dieser zentralen Beschwörungsszene auch Violinen, Zinken und eine Doppelharfe mit.

Ketten sprengen

Die Zeit um 1600 ist bekanntlich eine Periode des Umbruchs in der Musik. Weg von den fein ziselierten vielstimmigen Klanggeweben der Renaissance hin zu einem vom Basso continuo begleiteten Gesang. "Die Musik ist der Rede Untertan" - Formulierungen wie diese waren Motiv für Monteverdi und seine Kollegen, alle Regeln des traditionellen Notensetzens über Bord zu werfen, die Ketten zu sprengen. In dieser "Seconda Prattica" sollte die Musik den gesungenen Text unterstreichen, besser zur Geltung bringen.

Das Generalbasszeitalter, das die Komponisten über Jahrhunderte prägte, war geboren. Wie vielleicht nur später Purcell, Händel oder Bach, gelingt es Monteverdi im "Orfeo" mit geringsten Mitteln, bewegende, erschütternde Affektwechsel zu erzeugen.

Monteverdis Klangrede

"Ich bin die Musik, die mit süßen Klängen dem aufgewühlten Herzen Ruhe schenkt", singt die Allegorie der "Musica" im Prolog. Ein Urbild der Musik wird heraufbeschworen: die Musik, die mit ihrer Macht quasi Tote wieder zum Leben erwecken kann. Musik, deren Macht den Menschen Balsam für die Seele ist.

Monteverdis Klangrede schafft dies immer noch. Auch heute, da sie schon Jahrhunderte alt ist, reißt sie uns aus dem tauben Dunkel der Einsamkeit, lässt eine emotionale Tiefe spüren, die für uns heute so modern und berührend ist, wie sie es für die erlauchten Gäste der Gonzaga im herzöglichen Palast am Samstag, dem 24. Februar anno 1607 - vor 400 Jahren - war.

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Hör-Tipps
"Vier Jahrhunderte 'Orpheus'", Samstag, 26. Mai 2007, 19:30 Uhr

Claudio Monteverdi: "L'Orfeo", Samstag, 26. Mai 2007, 19:50 Uhr

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