Banana Yoshimoto und die Banana-Manie
Cool, Kult und sehr japanisch
Sie erschien wie ein Komet: Schon ihre allererste Geschichte wurde mit einem Literaturpreis belohnt. Und als im Jahr darauf ihr Debütroman "Kitchen" veröffentlicht wurde, lag ihr binnen kurzem erst Japan und dann der Rest der Welt zu Füßen.
8. April 2017, 21:58
Wenn es zulässig wäre, Autoren mit einem Begriff wie "Kugelblitz" zu charakterisieren, dann wäre Banana Yoshimoto die erste und einzige Kandidatin. Ihr erster Roman "Kitchen" überrollte Japan und löste eine echte "Banana-Manie" aus. In den ersten drei Jahren wurden zwei Millionen Exemplare dieses Buchs verkauft. Knapp nach dem Erscheinen wurde "Kitchen" mit dem sechsten Kaien Newcomer Writers Prize und wenig später mit dem 16. Izumi-Kyoka-Preis ausgezeichnet. Ihr selbst wurde im August 1988 der Titel "Best Newcomer Artist recommended by the Minister of Education" verliehen.
Perspektivwechsel
Kitchen wurde zweimal verfilmt: für das japanische Fernsehen und für das Kino. Der chinesische Filmemacher Yim Ho verlegte die Handlung nach Hongkong und ändert die Perspektive der Geschichte: Banana erzählt, wie das Mädchen Mikage - deren liebster Platz der Welt die Küche ist - versucht, den Tod ihrer Großmutter zu bewältigen und wie sie sich mit Hilfe eines jungen Mannes in der ihr unvertrauten Welt zurecht findet. Yim Ho erzählt die Geschichte des Mädchens so, wie sie der junge Mann erlebt.
Staatsgeschenk
Den Gipfel erreichte die "Kitchen-Manie" 1993, als das japanische Außenministerium jedem Delegierten des G7-Gipfels ein Exemplar von "Kitchen" in die Hand drückt - wobei man getrost annehmen darf, dass der Entscheidungsträger das Büchlein nicht gelesen hat: Ein junges Mädchen, das nach dem Tod seiner Großmutter nur mehr neben dem Kühlschrank auf dem dreckigen Fußboden einer Küche schlafen will, weil das Summen des Geräts Trost spendet, ein junger Mann, der in der Schuluniform seiner toten Freundin durch die Parks streift und ein Transsexueller, der Mutter spielt - entsprechen nicht unbedingt dem Bild, dem das erfolgreiche Japan im Ausland entsprechen möchte.
Und dennoch: Banana scheint einen Nerv getroffen zu haben. Einsamkeit, Kommunikationsprobleme, hektisches Stadtleben, emotionale Verarmung, Traumwelten, Unwirklichkeiten - sie bestätigt jedem Leser genau das, was ihn gerade beschäftigt. Was ihre erfolgreichsten Konkurrenten nicht gerade glücklich stimmt.
Generationenkonflikt
Der Nobelpreisträger Kenzaburo Oe, der sich als Verfechter des "Junbungaku", der "reinen Literatur" sieht, hat Mühe, den leichten Stil, den Hedonismus, die spätkapitalistische Gedankenlosigkeit zu akzeptieren, den er aus Banana Yoshimotos Werken herausliest, und er bedauert die völlige Abwesenheit diverser moralischer Fragen, die zu lösen ihm und seinen Kollegen, die "noch den Krieg erlebt" haben, ein echtes Anliegen war.
Fast resigniert fügt er hinzu, dass Bananas Werke wohl sehr wirklichkeitsgetreu die japanische Jugendkultur widerspiegeln. Und der andere Literaturstar Japans, Bananas unmittelbarer Konkurrent Haruki Murakami, hält sich, abgesehen von einem "kurzen Hineinschauen", von Bananas Büchern fern. "Sie ist so jung", sagte er in einem Interview für die Hamburger "Zeit", "und ich kann mich nicht wirklich darum kümmern, was andere so schreiben. Ich habe zu tun."
Mangakultur
Der ungeheure und anhaltende Erfolg von Banana Yoshimoto, vor allem bei den Jugendlichen, hat für viele etwas Unheimliches. Viele gescheite Leute haben versucht, sich und uns das zu erklären, und in diesen Essays, Abhandlungen und Artikeln fällt immer wieder das Stichwort "Manga". Genauer gesagt: Shojo Manga.
Das ist die spezielle Art japanischer Comics, die die Welt aus der Sicht großäugiger, staunender Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden und mit entsprechender (Noch-) Distanz zur Realität zeigt. Tatsächlich hat Banana zum Manga eine direkte und persönliche Verbindung: Ihre Schwester Haruno Yoiko ist eine bekannte Mangaka. Ihr Vater ist auch nicht gerade unbekannt, zumindest in Japan: Er gehört zu den einflussreichsten Denkern der Neuen Linken.
Was kann man noch über sie sagen? Ihr großes Ziel: der Literaturnobelpreis. Ihre Gewohnheiten: Sie schreibt jeden Tag mindestens dreißig Minuten. Ihre Vorbilder: Stephen King, Truman Capote und Isaac Bashevis Singer. Ihre Haltung, der Welt gegenüber: geheimniskrämerisch. Ihre Selbstbeschreibung: bequem und langsam.
Bliebe nur noch zu klären, wie sie zu ihrem seltsamen Namen Banana kam. Er sei auffallend, absurd und irgendwie androgyn, sagte sie, bevor sie sich die folgende offizielle Begründung zurecht gelegt hat: Banana hätte sie deshalb als "nom de plum" gewählt, weil sie die roten Blüten Bijinsho, der roten Banane, so schön fand.
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 31. Mai 2007, 11:40 Uhr
Buch-Tipps
Banana Yoshimoto, "Eidechse. Erzählungen", Diogenes, ISBN 3257064780
Banana Yoshimoto, "Kitchen", Diogenes, ISBN 3257019378
Link
Banana Yashimoto