Uraufführung in Wien
Die Rückkehr der Kasarova
Nach sieben Spielzeiten Abwesenheit kehrt Mezzosopran-Star Vesselina Kasarova an die Wiener Staatsoper zurück. And der Seite von Neil Shicoff singt sie die Charlotte in Jules Massenets "Werther". Uraufgeführt wurde die Oper in Wien.
8. April 2017, 21:58
Schon die Besetzung macht neugierig: Für Neil Shicoff ist es eine Rückkehr zur Rolle - er hat den schwärmerischen, überspannten, todessehnsüchtigen Werther bereits in der Staatsopern-Vorgängerinszenierung der Massenet-Oper verkörpert, vor fast 20 Jahren. Und für die Charlotte des Abends, Mezzosopran-Star Vesselina Kasarova, ist es nach sieben Spielzeiten Abwesenheit die Rückkehr ans Haus am Ring, von dem ihre Weltkarriere ausging.
Jules-Massenet-Stadt Wien: Es war "Manon", die in Wien erstmals Massenet-Taumel auslöste - zur Freude des 17 Jahre lang, von 1881 bis 1897, amtierenden Direktors der Wiener Hofoper, Wilhelm Jahn. Jahn, der in Temesvár als Sänger und Orchestermusiker begonnen hatte, der als Dirigent in Prag, Amsterdam und Wiesbaden bekannt geworden war und der auch inszenierte, hatte ein Faible für die italienische und französische Oper. Wo waren die neuen Stücke, die man einem "Tristan", einem "Otello" (beide hatten in der Ära Jahn ihre Wien-Premiere) zur Seite stellen konnte?
Erfolg mit Sopran-Tenor-Liebespaar
Der jüngste "König" des französischen Musiktheaters - mit "Le Roi de Lahore" und "Hérodiade" als Perlen in seiner Krone - hieß in den 1880er Jahren bereits Jules Massenet.
Hofoperndirektor Jahn war von der Idee besessen, "Massenet" auch in Wien populär zu machen. Mit der "Manon"-Erstaufführung 1890 gelang es: ein Riesen-Erfolg, dank des teils rührenden, teils frivolen Themas, dank Massenets bald flirrender, bald schmachtender Musik, und nicht zuletzt (Wien bleibt Wien!) dank eines überzeugenden Sopran-Tenor-Liebespaars, Marie Renard und Ernest van Dyck.
Jahns größter Coup
Wien hatte sein neues Opern-"Traumpaar", 54 Aufführungen von "Manon" in vier Saisonen gab es mit Renard und van Dyck - da musste natürlich eine weitere Massenet-Oper mit den beiden her.
Und Wilhelm Jahn glückte sein größter Coup: Der Komponist hatte ein fertiges Werk in der Schublade, das eigentlich für die Pariser Opéra Comique geschrieben war, dort aber nach einem Brand im Opernhaus nicht uraufgeführt werden konnte.
Uraufführung vor dem Schöpfer
Jahn gelang es, sich die Premiere für Wien zu sichern, und so kam das Haus am Ring 1892 in Anwesenheit des Schöpfers zu nicht weniger als einer Massenet-Opern-Uraufführung, der von "Werther". Für die wortgewaltigen Musikkritiker der Stadt war das ein gefundenes Fressen - in Manon und Lotte habe man zwar zwei Figuren vor sich, aber immer die gleiche Musik -, und das Mitleid mit Goethe, dessen epochemachender Briefroman die Basis des Librettos bildet, war groß.
Dennoch zeigte sich, dass Wilhelm Jahn einmal mehr den richtigen "Riecher" gehabt hatte: "Werther" "zog" beim Opernpublikum, zog in die Welt, und blieb in Wien noch lange im Repertoire, auch lange nach Jahns Abgang. So konnte später Alfred Piccaver der Werther einer ganzen Generation von Opernfreunden werden, der mit Selma Kurz wiederum eine Sopran-Charlotte zur Partnerin hatte.
Das Massenet-Fieber
Es kamen Massenet-lose Zeiten in Wien, aber spätestens seit in den 1980er Jahren "Werther" mit José Carreras und Agnes Baltsa wieder in der Staatsoper Einzug hielt, war das alte Massenet-Fieber wieder da.
Es flammte erneut auf, als 2005 eine Neuinszenierung der Oper mit Marcelo Alvarez und Elina Garanca angesetzt war. In diesem szenischen Rahmen - mit 1950er-Optik - treffen nun Neil Shicoff und Vesselina Kasarova aufeinander, um in Massenets intimen und leidenschaftlichen Melodien unerfüllt zu lieben und zu leiden, bis zu Werthers Selbstmord am Weihnachtstag.
Veranstaltungs-Tipp
Jules Massenet, "Werther", 14., 18., 22., 26. und 30. Juni 2007, 19:30 Uhr, Wiener Staatsoper
Links
Wiener Staatsoper
Vesselina Kasarova
Neil Shicoff
Karadar Classical Music - "Werther"-Libretto
International Music Score Library Project - "Werther"-Partitur als PDF