Welche Arbeitsumgebungen brauchen Hacker?

Wie arbeiten Hacker?

In unserer Gesellschaft werden Kreativität und Innovation sehr geschätzt. Unter dem Schlagwort "Creative Industries" wird Kreativität als Faktor für Wirtschaftswachstum gefördert. Besonders der Bereich der Web-2.0-Anwendungen gilt als zukunftsträchtig.

In unserer Gesellschaft werden Kreativität und Innovation groß geschrieben, dabei aber gleichzeitig wie Mythen verklärt. Dabei pflegt man Vorstellungen von Kreativität, die vielfach noch vom romantischen Geist des 19. Jahrhunderts beseelt sind.

Gute Ideen kommen aber nicht einfach so aus der Luft. Anstatt Spekulationen anzustellen, wollte ich es genau wissen. 16 Entwickler von Freier und Open Source-Software wurden von mir zu dem Thema befragt, welche Arbeitsumgebung sie benötigen, um besonders kreativ sein zu können, wie der Entwicklungsprozess funktioniert, was sie inspiriert. Die Ergebnisse dieser Umfrage werfen interessante Fragen auf.

Es zeigte sich, dass die romantische Verklärung der Kreativität im Widerspruch zur Praxis steht. Auch Entwickler von freier Software müssen von etwas leben. Einhellig meinten alle Befragten, dass die Grundbedürfnisse gedeckt sein müssen. Neben Essen usw. zählt dazu auch eine schnelle Internetanbindung.

Das Netz ist das erweiterte virtuelle Labor der Hacker. Es ist tatsächlich so eine Art Lebens- und Arbeitsraum, jedoch nicht "räumlich" im Sinn von 3D-Animationen, sondern als Kommunikationsraum. Obwohl häufig Individualisten haben Hacker gerne ein Gegenüber, jemanden, der gute Fragen stellt, ihre Arbeit versteht und diese kritisch beurteilen kann. Eine Art freundlicher Wettbewerb ist eine der stärksten Motivationen. Dazu gehört auch ein gewisses dialogisches oder kommunikatives Element. Um dieses Kommunikationsbedürfnis auszuleben, braucht es auch reale Orte und Freiräume wie z.B. die C-Base in Berlin oder das Metalab in Wien.

Darüber hinaus hören sich die Gemeinsamkeiten aber bald auf. Ein Teil der Szene nimmt bewusst in Kauf, ein prekäres Leben zu führen. Ebenso wie bei wirklichen Künstlern war ihnen von vorne herein klar, dass der Preis der Unabhängigkeit die Armut ist.

Andere möchten sich zumindest Biogemüse leisten können. Und wieder andere sind damit zufrieden, in einer Firma zu arbeiten, so lange diese freie Software produziert und der Chef sie weitgehend in Ruhe lässt. Ein und dieselbe Ausgangslage und ganz ähnliche Motivationen führen letztlich zu komplett widersprüchlichen Ergebnissen. Manche jagen dem Traum von der von Risikokapital getriebenen Innovation nach, andere schreiben Software für die Antiglobalisierungsbewegung.

Dieses Schisma zwischen dem globalisierungskritischen Flügel und dem neoliberalen oder gar wirtschaftslibertären Flügel ist einer der auch innerhalb der Szene nicht ausdiskutierten Widersprüche.

Einen der interessantesten Ansätze hat Jaromil, alias Denis Roio, Entwickler der Linux-Live-Distribution Dynebolic. Er vertritt den Standpunkt, dass Entwickler bewusst die Herausforderung suchen müssen. Erstens sollten sie mit den Leuten in Kontakt treten, für die ihre Software gedacht ist, und sich von deren Bedürfnissen inspirieren lassen. Zweitens sollten sie sich bewusst den Konflikten und Bedürfnissen anderer Menschen aussetzen und sich nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen. Und drittens sollten sie darauf achten, wie das zukünftige Projekt sich auf die eigene innere Entwicklung als Person auswirkt. Für wen das alles zusammen genommen noch nicht genug ist, dem rät Jaromil zu einer meditativen Zugfahrt in Indien.

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