Ein wachsender Markt
Das Fremde als Kulisse
Der Tourismus gehört mit einem Jahresumsatz von rund 40 Billionen Dollar weltweit zu den größten Wirtschaftszweigen. Tourismusexperten sagen voraus, dass der Markt noch in einer Wachstumsphase ist, vor allem was China und Indien betrifft.
8. April 2017, 21:58
100 Millionen Menschen sind in der Tourismusbranche beschäftigt. Zwei Milliarden touristische Bewegungen gibt es weltweit pro Jahr. Tourismusexperten sagen voraus, dass der Markt weltweit noch in einer extremen Wachstumsphase ist, vor allem was China und Indien betrifft. Dort gibt es zunehmend eine Mittelschicht, die sich einen Urlaub leisten kann. Auch wenn dies nur zehn Prozent der Chinesen betrifft, so sind das bei einer Milliarde Chinesen immerhin noch 100 Millionen, die in den kommenden Jahren den touristischen Markt beleben werden.
Reisen als prestigeträchtiges Medienereignis
Etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung hat den Wohlstand, sich touristisches Reisen leisten zu können. Tourismus hat strukturell sehr viele Ähnlichkeiten mit dem Kolonialismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Reisen in ferne Weltregionen hat damals aus wirtschaftspolitischen Gründen begonnen. Daraus hat sich eine touristische Praxis entwickelt, die heute noch aktuell ist.
Reisen ist im späten 19. Jahrhundert zum prestigeträchtigen Medienereignis geworden. Weltreisende haben ihre Berichte in Zeitungen veröffentlicht oder sind von Kamerateams begleitet worden. Es war eine Mischung aus anthropologischem Interesse, der Suche nach Exotik, und natürlich einer Portion Abenteuerlust. Vor allem Orientreisen waren sehr beliebt. Hier gab es einerseits bereits relativ früh eine ausgeprägte Infrastruktur für einen Tourismus, andererseits viele Projektionen und Wunschbilder in den Köpfen der Europäer.
Wachsender Widerstand
Mit ähnlichen Klischees und Wunschbildern arbeitet auch der heutige Tourismus. Palmen, Meer und Sandstrand, Exotik und Erotik werden von der Tourismuswerbung besonders gerne als Verkaufsargument präsentiert.
In den Tourismusregionen selbst formiert sich zunehmend Widerstand gegen den Massentourismus. In Mallorca etwa haben Bewohner der Insel vor wenigen Wochen mit Großdemonstrationen gegen den Ausverkauf ihrer Heimat protestiert. Auch aus anderen Tourismusregionen kommen immer wieder Meldungen über Proteste gegen touristische Bauprojekte.
Doch die Grenzen verfließen. Durch die zunehmende Globalisierung sind heutzutage Millionen Menschen weltweit unterwegs. Als Touristen, aber auch als Arbeitsmigranten oder als Flüchtlinge. Diese Menschenströme prallen immer häufiger aufeinander.
Nord - Süd-Migration
Auch im Bereich der "retirement migation" verschwimmen die Grenzen zwischen Tourismus und Migration. Unter retirement migration versteht die Wissenschaft die Migration von Menschen, die aus Nordeuropa kommend sich im Süden ansiedeln. Ein riesiger und stark wachsender Markt. Vielfach ist ein Kluburlaub die Vorstufe zum Erwerb einer Ferienwohnung in einer derartigen Ferienhaussiedlung. Typisch für die Siedlungen ist die Abgeschiedenheit vom Umland. Vielfach sind diese Anlagen militärisch gesichert. Einen Kontakt zur übrigen Bevölkerung gibt es kaum.
Der Trend zum Freizeitpark
Das Erleben von Fremdem und Exotischem ist nach wie vor eine tragende Säule des Tourismus. Doch man muss nicht unbedingt wegfahren, um touristisches Flair zu erleben. Die Exotik vor der Haustür bieten neuerdings Erlebnisparks und Einkaufszentren. Sozusagen für den raschen Urlaubsgenuss zwischendurch.
Ein neuer Trend in den europäischen Großstädten ist etwa das Anlegen von Palmenstränden mit dem touristischen Ambiente, wie es vom Mittelmeerbadeurlaub vertraut ist. Mit Beach-Volleyball, Strandkörben und karibischer Cocktailbar. Ehemalige Industriestandorte werden zu Urlaubskulissen. Dort, wo noch vor wenigen Jahren etwa Kohlezechen, Stahlwerke und chemische Industrie die Landschaft prägten, locken heute in Freizeitparks Tunesien, Griechenland oder die Karibik zeitgleich auf wenigen Quadratmetern.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 20. Juni 2007,19:05 Uhr