Ein Land, zwei Systeme

Hongkong

150 Jahre lang war Hongkong britische Kronkolonie. Am 1. Juli 1997, wurde es an China zurückgegeben. Zehn Jahre später steht fest: Die damals zirkulierenden Katastrophenszenarien haben sich nicht bewahrheitet. Hongkong hat weiterhin Freiheiten.

Wer sind die Hongkonger? "So viele Fotografen versuchen das einzufangen. Filmemacher, Maler und darstellende Künstler sind der Frage nachgegangen: Wer sind wir? Was sind wir? Natürlich kann man sagen, wir sind Chinesen. Aber wir sind mit Sicherheit keine Chinesen wie die Chinesen am Festland. Wir waren eine britische Kolonie, aber wir sind nicht britisch geworden. Wir sind eine Anomalie. Und dennoch haben wir so viel beigetragen zum Weltgeschehen, in der Finanzwelt, im Handel, im Film", sagt die Hongkonger Autorin Xu Xi.

Seit 1. Juli 1997 ist die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong Teil der Volksrepublik China. Allerdings genießt Hongkong den Status einer Sonderverwaltungszone. Nach dem Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" soll Hongkong sein geltendes Wirtschafts- und Sozialsystem mindestens 50 Jahre lang unverändert beibehalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Hongkong hat sein Basic Law, seine Miniverfassung, die weitreichende Rechte gewährt. Doch der Regierungschef, der Chief Executive, wird von einem Peking genehmen, nicht demokratisch gewählten Wahlkomitee bestimmt. Auch für das Parlament, den so genannten Legislativrat oder Legco, gelten Einschränkungen.

Eine gemischte Bilanz

Zehn Jahre nach der Rückgabe Hongkongs an China fällt die Bilanz gemischt aus. Keines der Katastrophenszenarien, die in den 1990er Jahren kursierten, ist eingetreten. "Wir haben uns geirrt", müssen heute nicht wenige Experten eingestehen, die im Hinblick auf den 1. Juli 1997 Untergangsstimmung verbreiteten und Peking sowie der Volksbefreiungsarmee die schlimmsten Absichten unterstellten.

Viele Leute äußerten damals auch die Sorge, dass künftig Shanghai die Rolle von Hongkong einnehmen würde. Sie befürchteten, dass Unternehmer ihr Geld von Hongkong abziehen würden. Heute herrscht die Überzeugung vor, dass die chinesische Regierung Hongkong in keinem Fall aufgeben werde und Hongkong zumal im Finanzsektor seine führende Rolle auch weiterhin behalten werde. Dennoch hat Hongkong seit 1997 schwierige Zeiten durchlebt, für die allerdings nicht Peking die Verantwortung trug.

Die asiatische Finanzkrise und SARS

Unmittelbar nach der Rückgabe Hongkongs an China brach die asiatische Finanzkrise aus. Ausgehend von Thailand erfasste diese Krise vor allem andere südostasiatische Staaten, traf aber auch Südkorea und Hongkong. Noch bevor die Auswirkungen der Asienkrise ganz überwunden waren, griff 2003 die neue Lungenkrankheit SARS um sich. Erst Ende 2003 begann sich die Wirtschaft wieder zu erholen.

Auch politische Konflikte um ein geplantes Subversionsgesetz und um Einwanderer vom chinesischen Festland haben gezeigt, dass das Prinzip Ein Land, zwei Systeme in der Theorie zwar gut klingt, in der Praxis aber viele Widersprüche auftreten. Eine neu erstarkte Zivilgesellschaft beklagt zugleich den mangelnden Fortschritt in Richtung Demokratie und die Zerstörung von kulturellem Erbe in Hongkong.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 25. Juni bis Donnerstag, 28. Juni 2007, 9:05 Uhr

Buch-Tipps
Tobias Farny, "Die Rückgabe Hong Kongs an die VR China, Wirtschaftspolitische Interessen beteiligter Länder", Deutscher Universitäts-Verlag, ISBN 9783824442195

Achim Güssgen u.a., Hrsg., "Hongkong nach 1997: Take-over, Re-unification oder Neubeginn?", Verlag Wissenschaft und Politik

Steve Tsang, "A modern history of Hong Kong", Tauris, London 2004, ISBN 9781845114190

Petra Rehling, "Schöner Schmerz. Das Hongkong-Kino zwischen Traditionen, Identitätssuche und 1997-Syndrom, Bender-Verlag, ISBN 9783936497076

Mike Ingham and Xu Xi, ed., "City Stage: Hong Kong Playwriting in English", Hong Kong University Press 2005, ISBN 9789622097476

Mike Ingham and Xu Xi, ed., "City Voices: Hong Kong writing in English, 1945 to the present", Hong Kong University Press 2003, ISBN 9789622096042

Leung Ping-kwan, "Island and Continents", Hong Kong University Press 2007, ISBN 9622098444