Genetische Verbrechensbekämpfung
Zehn Jahre DNA-Datenbank in Österreich
Mit 94.500 genetischen Fingerabdrücken von Straftätern ist die österreichische DNA-Datenbank die weltweit viertgrößte Sammlung von Erbgut-Daten zur Verbrechens-Aufklärung. 39 Prozent aller Fälle können durch eine Datenbank-Abfrage aufgeklärt werden.
8. April 2017, 21:58
Sie gilt als Phantom: eine Frau, die 1993 in Rheinland-Pfalz ihren ersten Mord begeht, acht Jahre später in Freiburg erneut zur Mörderin wird, am 6. Mai 2005 in Bad Ischl einbricht, und am 25. April 2007 eine Polizistin in Heilbronn erschießt. Diese "verbrecherische" Reiseroute können die Kriminalisten zeichnen, weil die Serienmörderin an jedem Tatort ihren genetischen Fingerabdruck hinterlassen hat. Und der ist in der österreichischen DNA-Datenbank gespeichert.
Diese Sammlung enthält 90.000 genetische Fingerabdrücke von Mördern und Räubern, von Sexualstraftätern oder Einbrechern, deren Namen man kennt. Und darüber hinaus 30.000 anonyme DNA-Spuren, die Verbrecher über verlorene Haare, Blut, Sperma, Speichel oder Hautschuppen am Tatort zurückgelassen haben, so wie die Serienstraftäterin.
Elf Chromosomenpaare
Als die österreichische DNA-Datenbank 1997 ihren Betrieb aufgenommen hat, hat sich die Arbeit von Kriminalisten stark verändert. Waren damals noch Blutspuren in der Größe eines Fünfzig-Groschen-Stückes notwendig, um daraus ein DNA-Profil zu erstellen, reichen heute unsichtbare biologische Spuren aus, etwa feinste Speicheltröpfchen.
Der genetische Fingerabdruck ist nichts anderes als eine Kombination von zweimal elf Zahlenwerten: Sie entstehen durch die Auswertung von Abschnitten auf elf Chromosomenpaaren.
Auf Eigenschaften eines Menschen kann man anhand des genetischen Fingerabdrucks nicht schließen - gerade einmal das Geschlecht verrät diese Art der Auswertung.
DNA oft die einzige Spur
Der Salzburger Kriminalist Peter Noppinger erinnert sich an einen Fall aus dem Jahr 2000, als in Zell am See eine Bank überfallen wurde. Vier Jahre lang führten die Ermittlungen zu keinem Ergebnis. Vom Täter hatte man nur ein DNA-Profil, das er am Tatort zurückgelassen hatte. Erst als der Mann wieder auffällig wurde und die rechtlichen Grundlagen ausreichten, einen Mundhöhlenabstrich zu nehmen, warf der Abgleich mit den anonymen Spuren in der Datenbank auch die Spur des ungelösten Bankraubes aus. Der Mann gestand.
Kein Massen-Screening in Österreich
Während in England auch schon bei Verkehrsdelikten genetische Fingerabdrücke genommen werden, begrüßt Reinhard Schmid, der Leiter der österreichischen DNA-Datenbank die defensivere österreichische Lösung, die im Regelfall nur für Vergehen ab Einbruch einen Mundhöhlenabstrich - also die Erstellung und Abspeicherung des genetischen Fingerabdrucks - vorsehen.
An ein Massen-Screening, d. h. die Abspeicherung von genetischen Profilen aller Staatsbürger, sei überhaupt nicht zu denken, meint Schmid. Die maßvolle österreichische Strategie scheint erfolgreich: Derzeit liefern Abfragen in vier von zehn Fällen einen Namen.
Ein alleiniger endgültiger Schuldbeweis ist der genetische Fingerabdruck nicht - weshalb die Kriminalisten auch in der konventionellen Ermittlung ihre Hausaufgaben machen müssen.
Vernetzte Datenbanken
Das DNA-Profil dient aber nicht nur zur Überführung von Tätern. Sie macht es auch möglich, unschuldig Verdächtigte aus den Ermittlungen auszuschließen. Bei einer Vergewaltigung in der Steiermark identifizierte das Opfer zum Beispiel den vermeintlichen Täter, der bereits einschlägig vorbestraft war. Eine DNA-Überprüfung schloss den Beschuldigten aber als Verdächtigen aus, obwohl das Opfer dies nicht glauben konnte. Ein Jahr später wurde der richtige Täter anhand des genetischen Fingerabdrucks ermittelt. Die äußere Ähnlichkeit mit dem unschuldig Verdächtigten sei frappant gewesen, meint Schmid. "Wahrscheinlich wäre er ohne DNA-Beweis schuldig gesprochen worden".
Vorige Woche haben die EU-Innenminister beschlossen, ihre DNA-Datenbanken zu vernetzen. Was wie ein Zukunftsprojekt klingt, wird längst praktiziert. Unter dem so genannten Prümer Vertrag haben sieben europäische Staaten, darunter auch Österreich, diesen Datenaustausch, quasi hinter dem Rücken der EU, bereits 2005 beschlossen - und somit auch Druck auf die Europäische Union gemacht.
Im Rahmen dieses Vertrages gleichen Österreich und Deutschland schon seit Ende letzten Jahres ihre Daten ab, seit kurzem tauscht sich Österreich auch mit Spanien aus, weitere Partner stehen in der Warteschlange. Durch diese Vernetzung konnte Österreich bisher 600 Fälle lösen, Deutschland sogar 1000.
Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 21. Juni 2007, 19:05 Uhr