Ein neues Schlagwort sozialpsychologischer Betreuung

Green Care

Der Kontakt zu Pflanzen und Tieren kann den psychischen und körperlichen Heilungsprozess unterstützen. Dies zeigen jüngste Forschungsergebnisse zum Thema Green Care. Bereits eine kleine Dosis "Natur" kann einiges Bewirken.

Der Psychotherapeut und Gärtner Konrad Neuberger leitet die gartentherapeutischen Einrichtungen von "Hof Sondern" im Wuppertal seit mehr als zehn Jahren und vertraut bei der Behandlung seiner Klienten mit psychischen Beeinträchtigungen auf die heilende Kraft der Natur. Das heißt: Neben medizinischer und psychologischer Betreuung sollen Neubergers Klienten durch Jäten, Sähen, Pflanzen, Wässern und Ernten wieder Boden unter die Füße bekommen.

"Durch die Orientierung an der Natur und die Rückbesinnung auf ihre eigene menschliche Natur, können sie den Weg zur Gesundheit zurückfinden", sagt Konrad Neuberger und schließt von der äußeren Gartenarbeit auf innere Prozesse: "Die Vorbereitung des Bodens dient zugleich einer Bestandsaufnahme, gefolgt von der Bereitschaft, einen neuen Lebensansatz zu schaffen. Mit dem Säen wird der Keim für neues Wachstum gelegt. Das Wachsen und Gedeihen bedeutet, Entwicklungen zu akzeptieren, für Veränderungen offen zu sein und unter dem Einfluss der Umgebung zu wachsen. Das Pflegen der Pflanzen vermittelt wiederum die Notwendigkeit, der Pflanze beziehungsweise sich selbst etwas Gutes zu tun und Unkraut an der Wurzel zu packen. Die Ernte ist das Ergebnis dieser Bemühungen - mit ihr stellen sich oft neues Selbstvertrauen und Zufriedenheit ein."

Die gartentherapeutische Arbeit von Konrad Neuberger am Hof Sondern ist ein Beispiel für "Green Care". Wörtlich übersetzt bedeutet der Begriff Grüne Pflege beziehungsweise Betreuung.

Positiv-Effekte sind auch körperlich messbar

Der positive Effekt von Natur wird auch von Messungen der Körperreaktionen auf einen Aufenthalt im Freien bestätigt. Schon nach ein bis zwei Minuten im Grünen steigt die Stimmung, die Hirnströme laufen synchroner, die Konzentrations- und Assoziationsfähigkeit steigt, Stresshormone werden abgebaut und die Muskeln entspannen. Der Blutdruck sinkt um rund zehn Prozent, der Puls wird ruhiger und der Stoffwechsel angekurbelt. Viel Grün kann demnach psychische und körperliche Wunden heilen helfen.

Garten als zusätzlicher Therapieraum

"Green Care eignet sich nicht nur zur Steigerung des Wohlbefindens von Menschen mit psychischen Erkrankungen, sondern auch für ältere Personen mit körperlichen Gebrechen und Demenzerscheinungen", sagt der Agrarsoziologe Georg Wiesinger und nennt als ein Beispiel dafür die Kooperation vom Geriatriezentrum am Wienerwald mit der agrarpädagogischen Akademie in Wien, wo vor wenigen Jahren ein Garten angelegt wurde.

Dort werden soziale Kontakte gefördert, vom Stationsalltag abgelenkt, depressive Stimmungen vermindert, Erfolgserlebnisse vermittelt und nicht zuletzt auch motorische Fähigkeiten trainiert. Das Kneten eine Tannenzapfens oder Steins ersetzt dann den physiotherapeutischen Gummiball mit Noppen. Statt elektrischen Reizen ausgesetzt zu werden, betasten die Patienten Hasen oder Meerschweinchen.

"Das Planen und Betreuen der Pflanzen ist Gehirnjogging. Plötzlich sind schwer Demenzkranke wie ausgewechselt. Seit Jahren scheinen sie jedes Interesse an ihrer Umwelt verloren haben. Auf einmal erzählen sie wieder angeregt Geschichten", sagt dazu Fritz Neuhauser, Stationsarzt im Geriatriezentrum. Gärten können außerdem der Rehabilitation von Unfallopfern dienen, denn jäten, pflanzen, in der Erde wühlen, gießen und ernten ebenso wie bücken, aufrichten und das Bewegen auf unebenem Gelände trainieren Gleichgewicht, Koordination und Körperbeherrschung.

Mehr Grün fördert die Gesundheit

Der Kontakt zu Pflanzen und Tieren hat zahlreiche positive Auswirkungen auf Körper und Seele, die man auch präventiv nützen könnte, sagen Gesundheitsexperten. Sie fordern schon länger mehr grüne Freiräume in Städten, öffentlichen Gebäuden und staatlichen Institutionen, etwa den Schulen.

In Österreich sind solche Anliegen bisher eher auf taube Ohren gestoßen, anders als im Grenn-Care-Vorreiterland Holland. "Dort wird quasi vom Kindergarten bis zum Pensionistenheim Green Care praktiziert", sagt Georg Wiesinger.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 2. Juli 2007, 19:05 Uhr

Links
Österreichische Gartenbaugesellschaft - Gartentherapie
Sozial-therapeutische Einrichtung "Hof Sondern"
Konrad Neuberger - Psychotherapeut/Gartentherapie