Eine Erfolgsgeschichte

Wiener Groove

Um 1990 entstand in Wien eine Szene, die sich am Boom elektronischer Clubmusik orientierte. Vor allem das Duo Kruder & Dorfmeister wurde in der Folge weltweit bekannt, die von ihm entwickelte Klangfarbe zum typischen "Wiener Groove".

Hirschenhauser über ein folgenreiches Demo

Um 1990 entstand in Wien eine Szene, die sich am internationalen Boom elektronisch produzierter Clubmusik orientierte. Vor allem das Duo Kruder & Dorfmeister wurde Mitte der 1990er weltweit bekannt, die von ihnen entwickelte Klangfarbe zum typischen "Wiener Groove". Ein entspannter Stilmix, der die erdigen Elemente verschiedener Spielarten von Black Music mit den akustischen Stilmitteln elektronischer Arbeitsweise kombinierte.

Die Musik des "Vienna Downtempo Sound" fügte sich perfekt in einen internationalen Trend ein. In den 1990ern wurden großzügige Lounge-Lokale wieder einmal moderner. Die Leute darin gaben sich weltläufig und lässig. Sie wollten mit entsprechender Musik beschallt werden, die zugleich anspruchsvoll und entspannt wirkte.

Wiener Downtempo

Ende der 1980er war diese Musik der so genannte Acid Jazz, dann war es TripHop. In Wien war sehr viel von Downtempo die Rede, so viel, dass der Begriff am Ende des Trends mehr abwertend als cool war.

Die erste DJ-Musik aus Österreich, die nach den neuen Mustern gestrickt war, war allerdings gar nicht downtempo, sondern sehr flott: Die Bingo Boys erreichten 1991 mit ihrem Track "How To Dance" Platz zwei der österreichischen Hitparade und blieben 16 Wochen in den heimischen Charts. Noch viel beachtlicher ist allerdings der internationale Erfolg: 400.000 Singles wurden allein in Amerika verkauft, das Album hat in kürzester Zeit 300.000 Stück abgesetzt.

DJ Superleiwand

Die Musik der Bingo Boys ist zwar nicht dem Wiener Groove zuzuordnen, aber manche der späteren Wiener-Groove-Protagonisten waren bei diversen Bingo-Boys-Projekten involviert oder sonst wie mit ihnen verbandelt. Einer der Bingo Boys war Klaus Biedermann, dessen jüngerer Bruder Stefan heute als HipHop-Produzent und DJ DSL bekannt ist. Anfang der 1990er war DJ DSL Teil der berüchtigt-kuriosen Band Doctor Moreau's Creatures. Der Name wurde später verkürzt zu The Moreaus.

Alle ehemaligen Bandmitglieder sind bis heute wichtige Figuren in der Szene. So auch Rodney Hunter. Er gründete gemeinsam mit Werner Geier Uptight, eines der ersten Wiener Labels. Seit Ende der 1990er war Rodney Hunter mit der HipHop Formation Afrodelics wiederholt international erfolgreich. Nebenher wird er demnächst sein zweites Soloalbum veröffentlichen.

Ein Club als Wiege

Man kann davon ausgehen, dass sich alle diese Leute irgendwann beim Club Soulseduction über den Weg liefen. Diesen Club betrieb Alexander Hirschenhauser. "Begonnen hat die Geschichte 1986 mit einem kleinen Club für den erweiterten Freundeskreis in der damals abgesagten Volksgarten-Diskothek", erinnert sich Hirschenhause. "Sieben Jahre lang war das ein sehr erfolgreicher Club in Wien. Beim erweiterten Freundeskreis ist es nicht geblieben. Bis wir festgestellt haben: Wir haben am jeden Montagabend ein volles Haus. Die werden doch sicher auch diese Musik haben wollen."

So wurde ein Geschäft namens Blackmarket eröffnet, das Musik und Mode ganz im Sinne der eingangs beschriebenen Clubkultur verkauft - von Acid Jazz bis zum frühen House. Die Musik wurde nicht nur auf Platte importiert, der Soulseduction Club brachte auch die internationalen Referenzkünstler nach Wien. Einmal im Monat wurde sogar Gilles Peterson, quasi der Guru des Acid Jazz, aus London eingeflogen, um in Wien beim Club Soulseduction aufzulegen.

Sensationelles Demo

Der Club ist Geschichte, das Geschäft Blackmarket und den Vertrieb Soulseduction gibt es immer noch. Mit ein Grund dafür war wohl ein Demo von Peter Kruder und Richard Dorfmeister, das Alexander Hirschenhauser 1992/93 in die Hände fiel, das für den alten Jazzfunk-Fusion-Fan ein Missing Link zwischen Acid Jazz und House war - und also solches sensationell (zu hören in unserem Audio).

Nun machte sich die Arbeit der vergangenen Jahre doppelt bezahlt, und Alexander Hirschenhauser konnte seine Begeisterung mit der dafür relevanten Welt teilen. "Der internationale Erfolg ist dadurch initiiert worden durch die Tatsache, dass es diese internationalen Connections gegeben hat."

Kruder & Dorfmeister

Alexander Hirschenhauser hatte durch den Betrieb des Blackmarket viel Know How in Sachen Musikvertrieb gesammelt, und er beschloss, die erste EP seiner Entdeckung Kruder & Dorfmeister gleich selbst zu vertreiben. Der internationale Musikvertrieb Soulseduction wurde 1993 gegründet.

Ein Minialbum mit vier Nummern machte Kruder & Dorfmeister berühmt. Sie wurden die Aushängeschilder eines Booms aus Wien, teils parallel, teils kurz darauf kamen andere Produktionen auf den Markt, und das Image von Wien als der Metropole der gemütlichen Grooves entstand.

Rodney Hunter erinnert sich an die frühen 1990er: "Wir waren quasi The Golden Generation, wie Hans Krankl und Cordoba, wo man Österreich von diversen Traumas befreit hat. Im weitesten Sinne war das bei uns auch so. Da war etwas, wofür man sich nicht genieren hat müssen."

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 2. Juli 2007, bis Donnerstag, 5.Juli 2007, 9:45 Uhr

Links
Soulseduction
BBC - Gilles Peterson
Gilles Peterson
DJ DSL
G-Stone Recordings