Sir John baut seiner Frau ein Opernhaus

Die wunderliche Welt von Glyndebourne

Das britische Opernfestival in Glyndebourne überrascht heuer mit besonders vielen Opern, die in der Geschichte des Festivals schon einmal eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Gründungsgeschichte ist bereits Legende: Alles begann mit einer Orgel.

Mozarts "Cosi fan tutte", Rossinis "Cenerentola", Verdis "Macbeth" - 2007 überrascht das britische Glyndebourne Festival mit besonders vielen Opern, die in seiner Geschichte schon einmal eine wichtige Rolle gespielt haben.

"Cosi fan tutte" zum Beispiel gleich im Gründungsjahr 1934 - unter der musikalischen Leitung von Fritz Busch, den von seinem Posten an der Dresdner Oper vertriebenen deutschen Dirigenten.

Es begann mit einer Orgel

Die Gründungsgeschichte der Festspiele, undenkbar ohne diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund, ist oft erzählt worden: Wie langsam die Musik am südenglischen Herrensitz der Christies Einzug hielt, zunächst mit einer Orgel in der heute noch für Proben genützten Organ Hall, mit Konzerten aus Opernausschnitten, im weiteren Verlauf mit Amateur-Opernaufführungen.

Treibende Kraft war die Frau des Hausherren, die unter anderem nach Wien reiste, um sich hier als Sängerin zu vervollkommnen: Audrey Mildmay-Christie.

Fritz Busch wurde gewonnen
Richard Wagner, für den Christie Glyndebourne gerne zum Klein-Bayreuth gemacht hätte, wäre ihr zu hoch gewesen, Mozart aber lag ihr. Und so geschah es, dass rund um die Sopranstimme von Audrey Mildmay ein noch kleines Festspielhaus erbaut, ein internationales Ensemble engagiert, und mit dem Dirigenten Fritz Busch und dem Regisseur Carl Ebert zuletzt zwei Koryphäen für die Festspiel-Utopie der Christies gewonnen wurden.

Dass man in Glyndebourne die Mozart-Produktionen von Anfang an auf Schallplatten festhielt, trotz des spleenigen Beginns, zählt zu den kleinen Wundern. Und noch ein größeres Wunder ist, dass diese frühen Glyndebourne-Aufnahmen zwar knistern und knacken, aber musikalisch nicht alt geworden sind.

Die prägenden Dirigenten

Fritz Busch blieb die prägende Persönlichkeit bis in die 1950er Jahre, dirigierte außer Mozart auch Beethoven, Donizetti, Verdi. Mit Vittorio Gui und Thomas Beecham kamen Rossini und Strauss hinzu, ab den 1960er Jahren öffnete man sich außerdem der Moderne und der Barockmusik, wobei Raymond Leppard Monteverdi und Cavalli propagierte. Später waren John Pritchard und Bernard Haitink die musikalischen "Systemerhalter", heute hat der junge Vladimir Jurowski das Sagen.

Zwei Dinge gehörten stets und gehören weiter zum Ruf von Glyndebourne: dass so wie in den Pioniertagen des Festivals in der entspannten Atmosphäre eines englischen Landhauses lange und gut probiert wird, und dass der Nachwuchs seine Chance erhält. In der Nachkriegszeit kamen die Nachwuchssänger manchmal auch aus Wien und hießen Sena Jurinac oder Erich Kunz, heute ist das Glyndebourner Ensemble international geworden.

Das heurige Programm

2007 spannt sich der Bogen in Glyndebourne von einer szenisch gebotenen Bach'schen "Matthäuspassion" bis zu Brittens "Turn of the Screw". Und dazwischen steht, neben Mozart, Rossini und Verdi, auch ein Werk von Richard Wagner, der in den 1930er Jahren John Christies Traum gewesen wäre: "Tristan und Isolde", mit Robert Gambill und Nina Stemme in den Hauptrollen.

Seitdem in Glyndebourne ein neues, modernes Opernhaus mit größerem Fassungsvermögen bespielt wird, ist Wagner möglich geworden - das 1934 eröffnete Theaterchen wäre zwar für diverse akustische "Ring"-Notwendigkeiten eingerichtet gewesen, hat diese Stück'ln aber nie spielen dürfen.

"Tristan" ausverkauft

Bei Wagner wird es, à la Bayreuth, natürlich noch eine Spur reizvoller als bei allen anderen Opern, die langen Glyndebourne-Pausen auf der grünen Wiese zu genießen, für die dem Vernehmen nach in früheren Jahrzehnten für die Gutgestellten die Butler ausrückten, für die aber auch alle mit der Bahn Angereisten ihre Vorkehrungen treffen.

Seit 19. Mai wird in Glyndebourne heuer bereits gespielt, drei Monate dauert die "season" mittlerweile, und der "Tristan" war als erste Oper ausverkauft - als ob John Christie es geahnt hätte.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 12. Juli 2007, 15:05 Uhr

Veranstaltungs-Tipp
Glyndebourne Festival Opera, Samstag, 19. Mai 2007 bis Sonntag, 26. August 2007

Link
Glyndebourne