Kein Buch für schwache Nerven

No Country for Old Men

Cormac McCarthys Kriminalroman ist nichts für schwache Nerven. Jede Menge Leichen begegnen dem Leser hier während der Lektüre. Die ist auf Deutsch allerdings erst seit 2008 möglich.

Für gewöhnlich geht es hier um Bücher deutschsprachiger Autoren und Autorinnen oder um Übersetzungen ins Deutsche. Die eine Ausnahme hat mehrere Gründe: Cormac McCarthy, Schriftsteller mit Wohnsitz in Santa Fe, New Mexico, ist kürzlich mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden. Nicht für dieses Buch, sondern für eine, auch ins Deutsche übersetzte, minimalistische Endzeitvision in Romanform mit dem Titel "Die Straße".

Geheimtipp McCarthy

Hier zu Lande ist McCarthy immer noch ein Geheimtipp: Sein fulminantes Hauptwerk "Verlorene", ein 650 Seiten starker, autobiografisch geprägter Roman über ein Außenseiterleben auf einem Hausboot am Tennessee River, ist nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit erschienen. Etwas mehr Echo fand die auch ins Deutsche übersetzte "Border"-Trilogie, drei moderne Western, angesiedelt im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko. "All die schönen Pferde", einer davon, ist auch verfilmt worden.

"No Country for Old Men" - zu Deutsch: "Kein Land für alte Männer" - ist im Original 2005 erschienen und ebenfalls bereits verfilmt, mit Starbesetzung und in der Regie der Coen-Brüder, die schon für Streifen wie "Fargo" oder "The Big Lebowski" verantwortlich gezeichnet haben. Der neue Film soll bei uns im nächsten Frühjahr anlaufen, und 2008 soll auch die deutsche Übersetzung von "No Country for Old Men" im Rowohlt Verlag erscheinen.

Keine leichte Kost

Die Geschichte, die Cormac McCarthy in diesem Buch erzählt, und vor allem wie er sie erzählt, ist nicht nur "hard-boiled", sondern schon "hard-core"-Kriminalliteratur.

Im wüstenhaften Grenzland zwischen Texas und Mexiko stößt der Held, ein junger Handwerker, auf die Überreste eines Massakers. Zerschossene Autos, mehrere Leichen, kiloweise Drogen und ein Koffer voller Dollars. Ein außer Kontrolle geratener Drogendeal, wie er in dieser Gegend öfter vorkommen soll. Moss, so heißt der junge Mann, schnappt sich den Geldkoffer, und was dann auf den folgenden, knapp 300 Seiten geschieht, ist ein Inferno der Gewalt, denn der Profikiller, der die Millionen ihrem ursprünglichen Eigentümer zurückbringen soll, ist ein Psychopath der allerschlimmsten Sorte. Er tötet nicht nur fürs Geschäft, er nimmt die Sache auch durchaus persönlich.

Wenn der alte Filmtitel "Leichen pflastern seinen Weg" heute noch einen Sinn ergibt, dann hier. Irgendwann kommt man mit dem Zählen der auf dieser Verfolgungsjagd durch den US-amerikanischen Südwesten Hingemetzelten nicht mehr nach. Eine Schießerei nach der anderen, und dass der Killer auch noch einen Schlachtschussapparat in seinem Arsenal hat, verleiht dem Ganzen auch noch eine Note individueller Extravaganz.

Blutoper ohne Schundfaktor

"No Country for Old Men" ist - wie gesagt - harter Kriminalstoff, aber kein Trash oder Schund. Und das liegt daran, dass Cormac McCarthy eben ein begnadeter Erzähler und Stilist ist. Kapitelweise wird die Blutoper durch die Erinnerungen eines Sheriffs, der dem Killer und dem flüchtenden Helden auf den Fersen ist, aufgebrochen. Und in diesen Monologen erfährt man einiges über die Zustände in den bibelfesten USA, wo die Abtreibung eine Todsünde und die Schießerei eine Alltäglichkeit ist.

Große Weisheiten

Knapp in den Schilderungen, sarkastisch in den Dialogen verhandelt Cormac McCarthy die letzten großen Dinge, und die reduzieren sich hier auf ein Ding, aufs Sterben. "One of the things you realize about getting’ older", lässt er seinen Sheriff da einmal räsonieren, "is that not everybody is goin’ to get older with you". Ja. Die einen sterben früher, die andern später, und letztlich ist am Ende jeder ganz allein.

Große Weisheiten, große Kriminalliteratur. Die englische Ausgabe gibt's im kleinen Taschenbuch, für "Non-native-speakers" sei der mittlere Langenscheidt dazu empfohlen.