Österreichs virtuelles Amtshaus

E-Government meets "Second Life"

Um Jugendlichen die Segnungen von von e-Government nahe zu bringen, hat das Bundeskanzleramt auf "Second Life" ein virtuelles Amt, das Austrian House, eröffnet. Angeboten wird jedoch Content mit keinerlei Eignung zum Community-building.

Das Bundeskanzleramt eröffnete unlängst auf "Second Life" ein virtuelles Amt. Im Austrian House, unserer, im Stil eines modernen Zweckbaus programmierten, mehrstöckigen virtuellen Repräsentanz untergebracht, soll es einer jugendlichen Zielgruppe die Segnungen des e-Government nahe bringen. Man braucht kein Prophet zu sein um vorherzusagen, dass diese Aktion einen respektablen Bauchfleck hinlegen wird, auch wenn das offizielle Österreich anders tönen wird.

Das liegt nicht nur an den mittlerweile sinkenden Nutzerzahlen von "Second Life", vor allem handelt es sich bei dem virtuellen Amt um eine phänomenale Themenverfehlung.

Die Faszination von Onlinewelten wie "Second Life", "Gaia Online" und "There" liegt ja gerade darin, das erste Leben mit seinen lästigen Unannehmlichkeiten wie Ämtern, Antrags- und Einreichformularen hinter sich zu lassen. Sogar wenn die Darbietung deutlich zielgruppenadäquater ausgefallen wäre (Stichwort: ADD), würde sie deshalb kaum besser angenommen werden.

Aus Bürger/innensicht handelt es sich bei e-Government um lustfreies Funktionieren-Müssen in fremdbestimmten Prozessen, das in den meisten Fällen alleine stattfindet. Das virtuelle Leben hingegen zwingt zur Gruppenbildung, denn das Ausleben der eigenen Kreativität, die Selbstdarstellung, der Chat mit Freunden benötigt andere, sei es als Publikum (die Mehrzahl) oder Mitwirkende. Deshalb herrscht hier noch ausgeprägter als im realen Leben die Gravitationskraft der Herde - auf einigen wenigen Plätzen tummelt sich das Gros der Nutzer. Oder umgekehrt formuliert: Weite Teile von "Second Life" sind avatarleer. So auch das Austrian House, mitsamt dem darin befindlichen Amt.

Diese Lektion lernen derzeit immer mehr Firmen und schließen in Folge ihre virtuelle Niederlassung. Gähnend leere Shops sind trotz niedriger Mieten halt auch im Cyberspace nicht sinnvoll, werten sie doch das eigene Produkt ab. Haben Unternehmen wie Best Buy, Dell und American Apparel zumindest Produkte angeboten, die im realen Leben für die Einwohner von "Second Life" begehrenswert sind, verfügt das Bundeskanzleramt lediglich über Content mit keinerlei Eignung zum Community-building. Auch die ebenfalls im Österreichhaus ansässige Ausstellung, mit ihren aus Wikipedia kopierten Texten und langweiligen Pressefotos von Politikerköpfen ist nicht geeignet, Besucher zur Wiederkehr zu bewegen.

Selbst wenn man - getrieben vom 1. Platz in der europäischen e-Government-Competition - wieder einen drauf setzen musste: Diesen Fehler hätte man leicht vermeiden können, denn gerade die Mechanismen erfolgreicher Online-Welten sind seit George Lucas Habitat hinlänglich bekannt. Auch in Österreich gibt es genügend Wissen aus den "magnetCity"- und "blackbox"-Zeiten, auf das man hätte zurückgreifen können. Stattdessen verfiel man dem allgemeinen Hype, der davor auch IBM, Reebok u. a. erfasst hat. Im Unterschied zu diesen Firmen, die relativ schnell aufsprangen, ließ man sich jedoch lange Zeit, um dann endlich das Falsche zu tun. Das dafür aber gründlich.

Michael Vesely ist Geschäftsführer von kommunalnet.at, dem Intranet der österreichischen Gemeinden, und Präsident des Future-Network.

Textbearbeitung: Ruth Halle

Links
SL-inworld - Austrian House
blackbox

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