Die Aufregung der Schönheit

8. April 2017, 21:58

Vermutlich das Schönste ist Schönheit, und aufgehoben zu sein. Ganz am Schluss sagt mir das Peter Zumthor beim Interview im August 2007. Die Hauptbotschaft seiner Arbeit ist seine Arbeit. Öffentlichkeit ist für den weltberühmten Architekten wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, er lebe auf dem Berg und ernähre sich von Wasser, Brot und Bild: Ein Alpenheiliger ist er keiner, es geht ihm eher um Respekt, so wie ich ihn verstehe.

Biografie haben wir alle

Geboren wurde Peter Zumthor 1943 in Basel. Sein Vater war Schreiner, seine Mutter Hausfrau. Er ist das älteste von acht Kindern. Vier Buben, vier Mädchen - sehr regelmäßig, sagt er, und dass er in einer Familie groß geworden ist, wo die Dinge selbst gemacht werden.

Nach einer Lehre als Möbelschreiner beginnt er das Studium der Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule Basel, die im Bauhausstil aufgebaut war, sagt Zumthor. Das Handwerk des Zeichnens, der Beachtung der Proportionen und die Materialkunde erlernte er dort.

Danach studierte er Industrial Design am Pratt Institute in New York. Zurück in der Schweiz wird er Denkmalpfleger. Gestaltung war Ende der 1960er verpönt, sagt er. Zuerst war eine Umstrukturierung der Gesellschaft für viele wichtiger. Bei der Arbeit als Denkmalpfleger studierte er den Zusammenhang zwischen der bäuerlichen Wirtschaftsform und den Haustypen. "Kunstgeschichte von unten" nennt er das.

Schutzdenkmal?
Vals ist eine politische Gemeinde in der graubündischen Schweiz. Es liegt auf 1.250 Meter Seehöhe. Das Gemeindegebiet besteht aus fünf Tälern. Nur das Haupttal ist bewohnt. Neben der Landwirtschaft liefern die natürlichen Ressourcen der Gegend, also der Stein und das Wasser, wirtschaftliche Rohstoffe.

Die Therme in Vals ist ein Denkmal und als solches bereits zwei Jahre nach der Eröffnung auch schon geschützt worden. Wofür? Womöglich für die Aufwertung der Gegend über die Ressourcen dieser selbst?

Starke Frau hinter Zumthor

Annalisa Zumthor, die Gattin des Architekten, hat zehn Jahre in einer Schule für behinderte Kinder gearbeitet, bevor sie nach Vals kam. Gemeinsam haben sie drei Kinder. Im Büro ihres Mannes war sie eine wichtige Person. In Vals leitet sie mit Pius Truffer die berühmte Therme Vals von Peter Zumthor.

Im Engadin aufgewachsen, wohnt und arbeitet Frau Zumthor in Vals. Ihre Muttersprache ist romanisch. Bei der Denkmalpflege, beiden ein Anliegen, haben sich Peter und Annalisa auch kennengelernt.

Topographie des Nazi-Terrors
Die Schutzbauten für Ausgrabungen mit römischen Funden in Chur waren der Grund für eine Wettbewerbseinladung zur Einrichtung eines "Museums der Topographie des Terrors" in Berlin. Aufgrund von Kostenexplosion kam es aber nicht zum Bau. Das nicht gebaute Museum verschwindet aber nicht aus den Köpfen der Menschen, die die Entwürfe kennen.

Dienende Kunst

Architektur ist für Peter Zumthor eine dienende Kunst. Er macht immer etwas für die Menschen und möchte das schön und gut machen.

An sein schlichtes Haus in Haldenstein ist ein Atelier angeschlossen. Eine Scheune könnte man sagen. In der Küche des Wohnbereiches beschreibt er mir detailgetreu das Altenheim mit dem Titel "Wohnungen für Betagte" in Chur-Masans aus dem Jahre 1993 - Thema sozialer Wohnbau?

Zumthor sagt mir, dass das Haus für die alten Leute aus den Tälern gemacht ist. Geschützte Balkone, Natursteinblöcke aus Tuffstein wie in den alten Dörfern und Ruinen, eine geschützte Westseite mit Abendsonne, wo man sich zurückzieht. Wenn man Gesellschaft sucht, zieht man den Vorhang auf: eine Veranda, groß genug um viele Möbel aufzustellen, alte Sofas und Lehnstühle, die zu schade zum Wegwerfen sind.