Sprache und Gesellschaft

Sprache ist das Haus des Seins

Martin Heidegger schrieb: "Sprache ist das Haus des Seins". Sprache ist untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden und dennoch keine Konstante. Wir müssen Sprache lernen und sie prägt unseren Zugang zur Welt.

Die ersten Wörter lernen wir mit dem ersten Geburtstag. Mit 18 Monaten können wir etwa 50 Wörter. Dann entwickelt sich langsam eine zunehmend komplexer werdende Grammatik. Das sind aber alles Richtwerte. Entwicklungspsychologinnen weisen auf die hohe Variabilität des Spracherwerbs bei Kindern hin. Vorsicht sei geboten, Kinder allzu schnell zu Problem- und Risikokindern zu machen, wenn sie in einem gewissen Alter nicht eine gewisse Kompetenz erreicht haben.

Wichtig und richtig ist aber, dass der Spracherwerb möglich früh beginnen sollte, da er in jüngeren Jahren leichter vor sich geht als später. Dazu gehört auch viel "Input", also viel passives Sprachangebot für die Kinder. Expertinnen orten in einer zunehmend "sprachlosen" Gesellschaft, in der etwa die regelmäßige familiäre Kommunikation zurückgeht, Probleme.

Sprache und Lernen - Sprache und Intelligenz

Einen direkten Zusammenhang zwischen sprachlicher Begabung und Intelligenz gibt es nicht. Vor allem für die Entwicklung von Kindern ist Sprache aber ein wichtiges Mittel zu lernen. Auf anderen Wegen geht das zwar auch, ist aber mühsamer. Gehörlose Kinder können, wenn ein Ausgleich zur gesprochenen Sprache geschaffen wird, genauso gut lernen. Das ist etwa durch Gebärdensprache möglich. Sprache ermöglicht somit auch den Zugang zu Welten, die aufgrund von körperlichen Beeinträchtigungen sonst verschlossen blieben.

Sprache als "Haus des Seins"

"Sprache ist das Haus des Seins", stellte Martin Heidegger fest. Der Mensch wohnt sozusagen in diesem Haus der Sprache, er ist Teilnehmer an der Sprache und benötigt sie, um zur Welt in Kontakt zu treten. Eng verbunden ist Sprach auch mit der Endlichkeitserfahrung des Menschen. Wer spricht, ist nicht tot, sagte Gottfried Benn.

Sprache ist keine Konstante der menschlichen Existenz, sondern stets in Entwicklung. Das zeigt sich auch im lateinischen Wort "Kind". "Infans" bedeutet "sprachlos". Der Mensch kommt sprachlos zur Welt und muss erst zur Sprache kommen. Solange die Sprache präsent ist, lebt der Mensch, befindet er sich im Haus des Lebens. Die Sprache verleiht ihm Sicherheit.

Die Bedeutung der Sprache als Tor zur Welt lässt auch ihre gesellschaftliche Relevanz steigen. Einiges deutet darauf hin, dass die Klagen über den Sprachverlust auch dadurch bedingt sind, dass heute sprachlichen Fähigkeiten ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als noch vor wenigen Jahrzehnten.

Sprache und Kommunikation - Sprache und Denken

Sprache als Mittel der Kommunikation dient der Verständigung, ist aber nicht nur auf Konsens angelegt. Totaler Konsens würde nicht nur den Abbruch der zwischenmenschlichen Beziehung und somit Sprachlosigkeit bedeuten, sondern wäre Ausdruck faschistischer Verhältnisse, die auf Hierarchien aufgebaut wären und dem Verbot zu widersprechen. Deshalb ist der Dissens ein ebenso wichtiger Teil der Kommunikation.

Nicht umsonst kommt das Wort Diskurs vom lateinischen "discurrere", und das bedeutet "auseinanderlaufen". Sprache allein auf das gesprochen Wort zu reduzieren, wäre selbstverständlich falsch. So ist Kommunikation auch mit Gebärdensprache möglich, und Körpersprache vermittelt wichtige Signale.

Zwei- und Mehrsprachigkeit

Kinder können bis zu drei Sprachen nebeneinander lernen, wenn sie sie oft hören, etwa eine Muttersprache, eine Vatersprache und ein Umgebungssprache. Wichtig ist auch hier, dass der Spracherwerb früh einsetzt und viel kommuniziert wird. Untersuchungen zeigen, dass Sprache immer mit den jeweiligen Gesprächspartnern und -partnerinnen verbunden ist. Gerade bei Kindern können Konflikte mit gewissen Personen auch deren Sprache unattraktiv machen.

Studien aus Bielefeld zeigen, dass große Unterschiede im Bereich des Spracherwerbs bestehen, je nachdem wie hoch der Migrantenanteil in Kindergärten und Vorschulen ist. Bei weniger als 20 Prozent lernen die Kinder am besten und am schnellsten Deutsch. Wichtig ist schließlich, den Spracherwerb kindgerecht zu gestalten.

Hör-Tipp
Salzburger Nachtstudio, Mittwoch, 12. September 2007, 21:01 Uhr

Link
56. Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg